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Diskuswerfen Diskuswerfen: Der schwierige Dreh

Von RÜDIGER FRITZ 07.01.2011, 20:24
Wohin wird wohl der Diskus aus der Hand von MZ-Sportredakteur Rüdiger Fritz gleich fliegen? Auch die Weltklasse-Werferin Nadine Müller aus Halle ist gespannt. (FOTO: ANDREAS LÖFFLER)
Wohin wird wohl der Diskus aus der Hand von MZ-Sportredakteur Rüdiger Fritz gleich fliegen? Auch die Weltklasse-Werferin Nadine Müller aus Halle ist gespannt. (FOTO: ANDREAS LÖFFLER) CARDO

Halle (Saale)/MZ. - Alles fängt harmlos an. Da bin ich in der Rolle des Beobachters. Noch. Nadine Müller zeigt mir, wie der Diskus geworfen wird. Wie in Zeitlupe dreht sich die Athletin im Ring. Extra für mich, schließlich soll ich es begreifen. Wenigstens ein bisschen. Alles sieht so spielerisch leicht aus bei ihr. Sie war im vorigen Jahr mit 67,78 Meter die weltbeste Werferin. Eine unglaubliche Harmonie in ihrem Bewegungsablauf, ein wie das andere Mal. Einfach traumhaft.

Ein hohes, fünf Meter entferntes Netz begrenzt die improvisierte Diskuswurfanlage in der Brandbergehalle. Damit die Scheibe nicht wie ein Geschoss durch das Gebäude fliegt und Schaden an Mensch und Material anrichtet. Dann macht die 25-jährige Athletin von den Halleschen Leichtathletik-Freunden einige Male Ernst. Sie dreht sich schnell wie ein Brummkreisel und wirft mit voller Wucht, als wolle sie das Schutznetz zerfetzen. "Nun sind Sie dran", sagt Nadine Müller, und schaut zu mir. Und ihr Trainer Rene Sack lacht sich schon ins Fäustchen. Das ist der Moment, auf den er gewartet hat.

Ich greife nach dem ein Kilogramm schweren Damen-Diskus. Rene Sack nimmt ihn mir weg. "So leicht wollen wir uns das doch nicht machen. Nicht wahr? Der hier wiegt anderthalb Kilo, das sind immer noch 500 Gramm weniger als ein richtiger Männer-Diskus."

Bevor ich die Holzscheibe mit der Metallumrundung in die Hand nehme, denke ich kurz daran, dass ein Großteil meines Sportjournalisten-Berufslebens der Leichtathletik gewidmet war - dabei oft dem Diskuswerfen. Unzählige Male habe ich die Jürgen Schult, Lars Riedel, Virgilius Alekna, Robert Harting, Ilke Wyludda, Franka Dietzsch und Nadine Müller im Wettkampf verfolgt oder Legenden wie Al Oerter oder Lothar Milde interviewt. Aber jetzt, mit 58 Jahren, werde ich mich erstmals selbst in dieser Sportart mit dem antiken Ursprung probieren. Ein Versuch ist es wert. Ich setze die Ansprüche niedrig an. Das soll sich als realitätsnah erweisen.

"Zuerst nimmt man den Diskus richtig in die Hand", erklärt Rene Sack. "Nicht wie ein Blatt Papier." Peng. Die Fingerkuppen haben um den Rand der Scheibe zu liegen, der Diskus locker auf dem Handteller. Als ich die Hand nach unten drehe, fällt das Gerät scheppernd zu Boden. Bei Rene Sack passiert das nicht. "Ich habe ja auch nicht solche Pranken", maule ich kleinlaut. Nadine Müller ist einsichtig: "Wir fangen mal ganz von vorn an. Wir lassen den Diskus über den gestreckten Zeigefinger nach vorn rollen." Schnurgerade bewegt er sich bei ihr weg. Bei mir eiert er davon, aber der fünfte Versuch sieht dann schon besser aus.

"Nun hinein in den Ring", dröhnt der Bass des Trainers. Probewürfe mit halber Drehung. Nadine Müller macht es vor. Breitet die Arme aus wie die Schwingen eines Adlers und lässt nach blitzartiger Bewegung den Diskus ins Netz sausen. Sie lächelt, als ich, ein Linkshänder, es ihr nachtue. "Das muss ich auch mal probieren. Mit links habe ich noch nie geworfen." Die Anmerkung sei mir erlaubt: Mit ihren Linksversuchen kommt sie nicht auf solche Haltungsnoten wie mit rechts. Vorteil also für mich, aber das ist belanglos.

Denn nun kommt er, der richtige Dreh. "Jetzt versuchen wir Würfe mit anderthalb Drehungen", sagt Rene Sack. "So, wie es sich gehört." Leichtfüßig wie eine Ballett-Tänzerin wirbelt das Demonstrationsobjekt Nadine Müller durch den Ring. Meine ersten zaghaften Versuche können den Trainer kaum überzeugen, selbst wenn er mehr als ein Auge zudrückt: "Hüftsteif, wie ein sterbender Schwan", höre ich ihn murmeln. Da es auf die harte Tour nicht so recht klappen will, versucht er es anders: "Du musst dich im Ring drehen wie beim Walzer. Eins, zwei drei." Ich werde keck: "Langsamer oder Wiener Walzer?" - "Fang langsam an."

Ich mühe mich, empfange aufmunternde Worte, spüre zumindest etwas von dem Wurfrhythmus. Und das macht Spaß. Der Diskus findet sogar ein paar Mal die richtige Wurfrichtung.

Nun etwas schneller mit dem eins, zwei, drei. Für mich offenbar zu schnell. Ich stoße beim Abwurf mit dem rechten Fuß gegen die Ringbegrenzung, verliere das Gleichgewicht und purzele hinaus. Harte Landung auf dem linken Fuß, der umknickt. Der Schmerz lässt nach, aber die Schwellung nimmt schnell zu. Eine Stunde später wird beim Röntgen aber festgestellt sein, dass zumindest nichts gebrochen ist.

Nach dem Zwischenfall verzichten der Trainer und die Athletin natürlich darauf, mich in die hohe Schule ihrer Sportart einzuweihen. Das hieße, wie Nadine Müller das unfallfrei zeigen könnte, auf einem nur zehn Zentimeter breiten Turn-Schwebebalken die Diskuswurf-Drehungen auszuführen. Sie kann von dort oben sogar aus voller Bewegung werfen. Nadine Müller tröstet mich: "Ich habe zwei Jahre gebraucht, um die Abläufe beim Diskuswerfen zu kapieren. Manchmal, wenn es im Training oder beim Wettkampf nicht so läuft, denke ich noch heute, ich bin eine Anfängerin." Nett zu hören.

Meine Kollegen und meine Kollegin haben sich bewundernswert in Sportarten versucht, die es in sich haben. Sie haben das vor mir ausführlich beschrieben. Sie waren Skispringer, waghalsige Voltigierer mit Hang zum Pferdeflüsterer, Radballer, Fechter, Boxer und Eishockey-Torhüter. Die Seite zu wechseln, hat sich gelohnt.

Die Serie endet mit diesem Beitrag. Alle Serienteile, Fotos und Videos können Sie im Internet nachlesen.