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DDR-Jugendradio DT64 DDR-Jugendradio DT64: Die Erfolgsgeschichte eines Ost-Senders

Von Philipp Klein 15.01.2017, 11:00
Marion Brasch wünscht sich Radiomacher mit Haltung
Marion Brasch wünscht sich Radiomacher mit Haltung Lutz Winkler

Halle (Saale) - Marion Brasch ist in ihrem Element. Die Kopfhörer auf den Ohren, das Mikro dicht vor dem Mund. Doch diesmal sitzt die Schriftstellerin und Radiomoderatorin nicht in einem professionellen Studio, sondern im zweiten Stock des Stadtmuseums.

DDR-Jugendradio DT64 in Halle unter Protesten eingestellt

Das hat sie gemeinsam mit Radio Corax kurz vor Ende der erfolgreichen Radioausstellung „Unsichtbare Wellen“ zum Gespräch über das DDR-Jugendradio DT64 eingeladen. Das hatte 1993 trotz zahlreicher Proteste in Halle sein kurzes Dasein beendete, um in den heutigen Sender MDR Sputnik überführt zu werden.

Brasch, die heute beim Berliner Sender radioeins arbeitet, gehörte in der turbulenten Wende- und Nachwendezeit zum DT64-Team. 1987 hatte sie dort, wie sie berichtet, vor allem als „Kofferträgerin“, angefangen: Musikstücke aus dem Tonarchiv heraussuchen und die Bänder ins Studio bringen. Schon als Jugendliche hatte sie ihr eigenes Archiv angelegt – mit Hilfe von Radio und Kassette zeichnete sie vor allem Westmusik auf.

Warum bei DT64 viel mehr möglich war als bei anderen DDR-Radiosendern

Die sieht sie auch als Grund für die Beliebtheit von DT64. Zwar sei auch dessen Programm linientreu gewesen, aber mit der Musik wurde die Jugend erreicht. „Es war schon interessant, wie die Musik ihre Wege in den DDR-Rundfunk gefunden hat, mit Lizenzen oder den Kauf von Westplatten.“

Oder über private Kanäle, so dass Platten von daheim mitgebracht wurden. „Die Musikredaktion war eine Insel, wir hatten mit den politischen Auseinandersetzungen nicht so viel zu tun. Aber wir haben gemerkt, dass bei DT64 viel mehr möglich war, als bei anderen DDR-Sendern.“ Dass es im Sender Beteiligte gab, die für die Staatssicherheit arbeiteten, hätte sich erst später herausgestellt.

DT64: Von der Aufbruchsstimmung nach dem Mauerfall bis zum schmerzhaften Aus.

Mit dem Fall der Mauer herrschte beim dem Jugendsender Aufbruchsstimmung. „Wir waren politisch überall mit dabei. Die Zeit war infizierend, der Sender wurde unser zweites Wohnzimmer“, erinnert sich Brasch. Und seitens der Hörer gab es einen hohen Identifikationsgrad mit dem Sender.

Als DT64 Anfang der 90er-Jahre abgeschaltet werden sollte, formierte sich breiter Widerstand: „Wir gingen mit den Hörern gemeinsam auf die Straße.“ Doch sei die Zukunft von DT64 zum Spielball der Politik geworden. Es sei eine zermürbende Zeit gewesen, berichtet Brasch.

Als die Abschaltung bevorstand, schien sich der MDR als Rettungsanker anzubieten. „Man hat uns eine Schonfrist gegeben, aber später sollte das Programm unter neuem Namen laufen.“

Viele Kollegen hätten befürchtet, dass „der Spirit, den DT64 ausgemacht hat, verloren gehen würde.“ Manche ihrer Kollegen seien mit dem Sender nach Halle gegangen, aber für einige sei die Arbeit inhaltlich frustrierend gewesen. Brasch selbst blieb wegen einer Schwangerschaft in Berlin.

Die Arbeit von DT64 sieht sie rückblickend als weit mehr als nur einen „Farbtupfer ohne Wirkung“. Radiomacher dürften durchaus eine Haltung haben: „Damit man sich konstruktiv an ihnen reiben kann.“ (mz)