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Korruptionsvorwürfe gegen Polizisten Christiane Bergmann: Was die Polizeipräsidentin zu den Korruptionsvorwürfen sagt

Von Gert Glowinski und Sebastian Münster 17.12.2016, 12:00
Christiane Bergmann, Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, äußert sich zu den Koruptionsvorwürfen gegen Polizisten.
Christiane Bergmann, Polizeipräsidentin der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, äußert sich zu den Koruptionsvorwürfen gegen Polizisten. Holger John / VIADATA Photo

Halle (Saale)/Zeitz - Mehrere teils hochrangige Polizeibeamte sollen in einen Korruptions-Skandal verwickelt sein. Es geht im exklusive Reisen in die Veltins Arena nach Gelsenkirchen. Die Polizeiführung in Halle steht unter Druck, die schweren Vorwürfe  aufzuklären. Christiane Bergmann, seit November 2011 Präsidentin der Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd, nimmt Stellung zu den massiven Anschuldigen gegen die Polizisten aus ihrer Behörde.

Hat die Polizeidirektion Sachsen-Anhalt Süd ein Korruptionsproblem?
Bergmann: Nach meiner Auffassung nicht. Es stehen Vorwürfe im Raum, die schwerwiegend sind und die wir dienstrechtlich – eventuell sogar disziplinarrechtlich – aufklären müssen. Auch um das nach außen transparent darzustellen.

Es besteht der Verdacht, dass mehrere Ihrer Beamten Einladungen zu exklusiven Bundesligaspielen auf Kosten der Stadtwerke Zeitz angenommen haben. Was unternehmen Sie jetzt?
Bergmann: Ich habe Anhaltspunkte für Fehlverhalten meiner Beamten. Und ich lasse überprüfen, ob diese für ein Disziplinarverfahren ausreichen.

Von den Vorwürfen sind sehr hochrangige Mitarbeiter betroffen – unter anderem der Leiter des Führungsstabs in der halleschen Direktion. Wie beeinträchtigt das Ihre Zusammenarbeit?
Bergmann: Natürlich will ich – je nach Ergebnis unserer Ermittlungen – nicht ausschließen, dass dienstrechtliche Konsequenzen für Betroffene gezogen werden müssen. Dann müsste eventuell über eine andere Verwendung der Betroffenen nachgedacht werden.

Es ist schwer vorstellbar, dass die damalige Polizeiführung nichts von den Schalke-Ausflügen  gewusst hat. Ist auch das Teil Ihrer Untersuchungen?
Bergmann: Die Recherchen sind noch am Beginn. Ich kann derzeit sagen, dass die ersten Reisen nach unseren Erkenntnissen 2009 stattgefunden haben. Wann die letzte Veranstaltung stattgefunden hat, können wir derzeit noch nicht eingrenzen. Das müssen die Ermittlungen ergeben.

Ihnen persönlich waren weder Reisen bekannt noch haben Sie welche genehmigt?
Bergmann: Ich bin seit November 2011 als Präsidentin tätig. Ich habe keine Reisen genehmigt. Mir sind auch keine angezeigt worden.

Unabhängig vom Ergebnis der Ermittlungen: Ist es nicht bereits jetzt für den Ruf der Polizei verheerend, wenn sich Beamte in der Vip-Loge mit Politikern und Wirtschaftsbossen tummeln?
Bergmann: Es ist vielleicht der Eindruck entstanden, die halbe Direktion habe sich zu Ausflügen einladen lassen. Ohne das bagatellisieren zu wollen: Aber dem ist nicht so. Wir sind ohnehin verpflichtet, eine Menge für unsere Glaubwürdigkeit zu tun. Jährlich werden alle Beamten über die Vorschriften zur Korruptionsprävention belehrt – unter anderem also darüber, dass sie keine Geschenke und Belohnungen annehmen dürfen. Das wird streng kontrolliert. Natürlich gibt es immer Grenzbereiche. Besonders für diejenigen, die die Polizei oft offiziell repräsentieren. Dennoch: In einer großen Dienstbesprechung in dieser Woche habe ich noch einmal deutlich klargemacht, was ich von den Vorgesetzten in ihrer Vorbildfunktion erwarte.

Wo endet Repräsentation und wo beginnen Vorteilsnahme und Korruption?
Bergmann: Auch Polizeibeamte dürfen eine Vip-Loge besuchen, wenn sie dafür bezahlen. Natürlich sprechen die Bilder eine bestimmte Sprache. Aber ich muss schon genau schauen, welche Vorwürfe berechtigt sind. Der Schaden für die Polizei und ihre Arbeit ist natürlich entstanden. Denn es entsteht der Eindruck, dass diese Beamten sich einen Vorteil verschafft haben.

Wie üblich ist es denn für Polizisten, in Ausübung ihres Amtes an Veranstaltungen teilzunehmen?
Bergmann: Natürlich ist es auch für die Revierleiter normal, in ihren Regionen zu netzwerken. Die Teilnahme an Veranstaltungen mit regionalem Bezug ist deshalb vertretbar. Die Grenze muss man ziehen, wenn es um Eintrittskarten oder gar Bargeld geht. Es kommt auf den Charakter der Veranstaltung an. Ich habe beispielsweise noch nie eine Eintrittskarte für ein Spiel des HFC oder eine Einladung des sachsen-anhaltischen Fußballverbandes für ein Pokalendspiel angenommen. Ich bin aber durchaus dienstlich bei solchen Spielen vor Ort, um zu wissen, wo die Einsatzschwerpunkte liegen. Die Annahme von Einladungen müssen die Vorgesetzten außerdem stets genehmigen. Um solche Dinge zu prüfen, gibt es in der Polizeidirektion Süd einen eigenen Antikorruptionsbeauftragten. Eintrittskarten als Geschenk anzunehmen, ist für Polizeivollzugsbeamte nicht akzeptabel.

Angeblich soll es sich bei den Ausflügen in die Veltins Arena um eine Art Bildungsreise für Ihre Beamten gehandelt haben, um von der Polizeiarbeit rund um Spiele auf Schalke zu lernen. Das sagt zumindest der entlassene Geschäftsführer der Stadtwerke Zeitz, Andreas Huke. Finden Sie diese Erklärung plausibel?
Bergmann: Es ist aus meiner Sicht plausibel, sich anzuschauen, wie ein polizeilicher Einsatz abläuft. Was nicht dazu gehört, sind etwaige Übernachtungskosten, sich das Spiel von einer Loge aus anzuschauen und dort zu essen und zu trinken.

Das heißt, der Aufenthalt in der Vip-Loge wäre in jedem Fall ein Problem für Sie? Denn bereits jetzt steht fest: Die Beamten waren dort.
Bergmann: Das ist auf jeden Fall eine Sache, die überprüft werden muss. Ich glaube aber, das ist ein Problem. Derzeit arbeiten in unserer Behörde zwei Volljuristen daran, das aufzuklären.

Wie viele Polizisten stehen derzeit im Fokus Ihrer Untersuchungen?
Bergmann: Derzeit geht es um zehn Beamte insgesamt. Davon sind vier im Ruhestand und sechs noch aktiv. Wir haben von den noch aktiven Beamten Stellungnahmen abgefordert. Die liegen aber noch nicht alle vor.

Die Ruheständler sind für Sie uninteressant?
Bergmann: Nein. Auch sie unterliegen den gleichen beamtenrechtlichen Pflichten und sind zu einer Stellungnahme aufgefordert worden. Wenn es bei ihnen zu einem Disziplinarverfahren kommen würde, hätte auch das einen Ansehensverlust der Polizei zur Folge. Auch in solchen Fällen kann es deshalb zu Konsequenzen kommen – bis hin zur Kürzung oder gar Aberkennung des Ruhegehaltes.

Wie lange wird die Aufklärung dauern?
Bergmann: Uns geht Gründlichkeit vor Schnelligkeit. Wir müssen uns Zeit nehmen, das Gesamtbild zu betrachten. Ich muss wissen, was genehmigt war und was nicht. Und ich muss wissen, ob die Beamten für ihre Besuche nachweislich bezahlt haben. Eine Rolle spielt auch, wie lange die Ausflüge her sind. Ein schnelles Ergebnis kann ich nicht versprechen.

Zehn teils hochrangige Beamte stehen unter Korruptionsverdacht. Hat es sowas in Ihrer Behörde schon einmal gegeben?
Bergmann: In diesem Umfang ist mir das so nicht bekannt. Das ist sehr besonders. Und ich will auch nicht verhehlen, dass das für unsere Behörde sehr belastend ist.