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Bürgermeister gibt es auch im Gefängnis

Von Silvia Zöller 10.12.2004, 20:02

Halle/MZ. - Das Quartett wurde im September als neuer Gefangenenrat für eine Amtsdauer von einem Jahr gewählt. Offiziell heißt das Gremium, das es seit 1997 in der JVA Halle gibt, Gefangenenmitverantwortung (GMV). Wahlmuffel gibt es unter den 200 Gefangenen kaum: 82,8 Prozent Wahlbeteiligung wären in der Politik ein Grund zum Sektkorkenknallen. Ralf Bartnik, der wie alle anderen GMV-Männer eine langjährige Haftstrafe verbüßt, verzeichnete mit mehr als 48 Prozent der Stimmen das beste Ergebnis und wurde damit Quasi-Bürgermeister der JVA. Dennoch ist dies für den 38-jährigen GMV-Vorsitzenden kein Grund zum Jubeln: Der Gefangenenrat wird mit anderen Maßstäben von den Mitgefangenen beurteilt, sie müssen für Entscheidungen direkt gerade stehen.

"Es ist schon gut, wenn man verschiedene kleine Dinge verändert. Das Leben hier drin ist eintönig", so Bartnik. Sven Gramsch, der bereits zum vierten Mal in den Rat wiedergewählt worden ist, bedauert wie die anderen allerdings, dass sich außer den vier Kandidaten niemand anders hat aufstellen lassen.

Einmal pro Monat sitzt das Quartett mit Anstaltsleiter Frieder Samtleben, Sicherheitsdienstleiter Reiner Schönefeld und dem Koordinator für Freizeit und Sport, Rainer Kirmse, zusammen. Entspannt ist die Atmosphäre, man lacht gemeinsam. "Die Streitkultur ist vernünftig. Hier ist noch keiner auf den Tisch gesprungen", sagt Samtleben. So wie der Anstaltsleiter ohne Wenn und Aber Probleme der Gefangenen aufgreift, so unterstützt ihn auch der Gefangenenrat. Beispielsweise bei dem Versuch, einen Analphabeten-Kurs ins Leben zu rufen. Bartnik und seine Kollegen zögern nicht, als er sie bittet, Lese- und Rechtschreibunkundige unter den Gefangenen vertraulich auf diese Möglichkeit hinzuweisen.

Andere Probleme lassen sich mangels Geldes jedoch nicht verwirklichen: Die erbetenen Fernseher für die Gemeinschaftsräume werden deshalb ein Wunsch der Gefangenen bleiben. Angewiesen ist die Anstalt auch auf ehrenamtliche Hilfe von Hallensern. So kann die Gefangenenzeitung nur durch finanzielle und ideele Hilfe von draußen erscheinen, ebenso wie Vereine oder Chöre das jährliche Sommerfest bereichern.