Bühnen Halle Bühnen Halle: Nach Brandbrief und bizarrem Streit nun Mobbingvorwürfe

Halle (Saale) - Es war der skurrile Höhepunkt eines Konflikts, den viele in Halle schon längst nicht mehr lustig finden: Ein im Internet frei verfügbar gewesenes Nacktfoto einer als Kurzzeit-Verstärkungskraft engagierten Öffentlichkeitsmitarbeiterin der Theater, Oper und Orchester Halle GmbH (TOOH) hat erneut dazu geführt, dass gegenseitige Mobbingvorwürfe hin und her schwirren.
Dramen hinterm Vorhang
Letzter Akt dieses Dramas hinterm Vorhang: Eine „Stellungnahme zu den Vorwürfen besagter Mitarbeiterin“, unterzeichnet vom Vorsitzenden des Betriebsrats, Jens Heinemann. In dem Schreiben wird der TOOH-Geschäftsführer Stefan Rosinski mit verantwortlich gemacht für eine massive Gefährdung des „Betriebsfriedens“, indem er eine „unsachgemäßen Berichterstattung unterfüttert“ habe.
Und dann war da noch diese Schlagzeile der Bild-Zeitung: „Referentin mit Nacktfoto aus der Oper gemobbt“. In dem Schreiben fordert der Betriebsrat, „anstatt zu skandalisieren“, nun eine „lückenlose Aufklärung“ des Vorgangs.
Schnelle Abschiede
Der Zeitpunkt für diese erneute Zuspitzung könnte ungünstiger kaum sein. Kommenden Freitag tagt der TOOH-Aufsichtsrat und hat eine Forderung des Intendanten des Neuen Theaters zu beraten, die ultimativ formuliert ist - wie schon eine Ende letzten Jahres von ihm und Opern-Intendant Florian Lutz erhobene eben solche Forderung. Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) hatte die jüngste Brenner-Note öffentlich gemacht.
Und gegenüber der MZ hat der Intendant, der auch Halles erfolgreichster Schauspieler ist, sie nochmals zeitlich präzisiert: „Wenn sich nichts tut“, denke er auch an einen „schnelleren Abschied“. Dann müsse er sich, so sagte es Matthias Brenner, „vom vergifteten Acker machen“.
Prophezeites eingetreten
Wie konnte es so weit kommen an Halles Bühnen? Im Nachhinein wirkt wie eine selbst erfüllende Prophezeiung, was zu Beginn der Spielzeit 2016/2017 als Werbeplakat riesengroß an einer Hauswand zu lesen war: „Alles brennt!“ Keine drei Jahre hat es gedauert, bis zumindest in der TOOH nun annähernd eingetreten ist, was sicherlich eher als gesellschaftliche Zustandsbeschreibung gedacht war - anderseits aber aber wohl auch als programmatische Kampfansage an einen als allzu bieder-gemütlich und allzu harmonisch eingeschätzten kleinstädtischen Kulturbetrieb, den es aufzumischen galt.
Formuliert vom jungen und damals gerade in der Startphase befindlichen Leitungsteam des Musiktheaters um Florian Lutz, ist das Konzept wohl in unerwartet hohem Maß aufgegangen - was Kritiker wie Fans von Florian Lutz ihm wohl gleichermaßen bescheinigen werden.
Mobbing und Verdächtigungen
Doch nachdem für Lutz & Co. die Intendanz nun nicht verlängert werden wird, steht jetzt auch die Fortsetzung der Ära von Matthias Brenner am Neuen Theater auf der Kippe. Und mit dem Zweifel um Brenners Verbleib am Haus brennt es nun endgültig lichterloh rund um Halles TOO.
Denn selbst von sexistischem Mobbing war im Zusammenhang mit der angeblichen Weiterverbreitung des besagten Nacktbilds aus dem Netz die Rede - samt Verdächtigungen gegen Brenners Umfeld, die der Intendant empört und als „geschmacklos“ zurückgewiesen hat. Im Raum steht weiterhin, dass besagte, von Rosinski engagierte Kurzzeit-Mitarbeiterin (vier Tage insgesamt) einen Wikipedia Eintrag Brenners geändert habe.
Weitere Zuspitzung
Rosinski dagegen hatte in einem Beitrag des MDR-Fernsehens Theatermitarbeitern vorgeworfen, neue Mitarbeiter „erstmal mit den Mitteln der sozialen Medien zu checken“ - was das Betriebsratspapier dem Geschäftsführer dahingehend auslegt, damit ein negatives Bild von Teilen der Belegschaft in der Öffentlichkeit gezeichnet zu haben. Woraufhin Rosinski gegenüber der MZ eingeräumt hat, sich missverständlich ausgedrückt“ zu haben. Er habe „niemanden pauschal verurteilen“ wollen.
Detlef Wend, SPD-Stadtrat, der kraft dieses Mandats auch im Aufsichtsrat für die TOOH sitzt, kann mit Blick auf deren Situation inzwischen nur noch den Kopf schütteln: „Das ganze Gebaren“ erinnere ihn an „Kindergarten“, sagt der Mann, der hier schon deshalb weiß, wovon er spricht, weil er von Beruf Kinderarzt ist. Und, so sagt er, derart „unprofessionelle Haltungen im Umgang mit Konflikten“ habe er auch noch nie und nirgends erlebt.
Kann Zusammenarbeit noch stattfinden?
Gibt es trotzdem noch Chancen, den Konflikt zu entschärfen und für die derzeit Beteiligten einen Modus zur Zusammenarbeit zu finden? Rosinski kann sich mittlerweile vorstellen, dass „die Probleme zwischen ihm und Brenner lösbar sind“. Und Brenner? Will er überhaupt noch? Oder sucht er, wie manche vermuten, einen theatergerechten Abgang aus Halle? „Wenn er meint, dass es nicht mehr geht, werden wir ihn nicht halten können“, vermutet Aufsichtsrat Wend.
Doch Brenner sein Ultimatum inzwischen entschärft - und bietet sogar an, „noch mal zwei, drei Wochen nachzudenken, miteinander ins Gespräch zu gehen“ - um nicht schon am 12. April hinzuwerfen. Was zwar nun fast schon an die atemberaubende Brexit-Dramatik erinnert - doch Brenner sagt auch: „Ich bin Künstler und lasse mein Ensemble nicht einfach so stehen.
OB befragt Arbeitsrechtlerin
Genaus das hofft der OB. „Die Streitigkeiten zwischen zwei Intendanten und dem Geschäftsführer werden von einer Arbeitsrechtlerin bewertet“, kündigte er am Sonntagnachmittag auf MZ-Anfrage an. Im Anschluss müsse dann „der Aufsichtsrat entscheiden“, wie es weitergeht. „Überdies“, so der OB, „berät der Stadtrat auf meine Eingabe über Änderungen im Gesellschaftsvertrag“.
Klingt nach einer spannenden Wochen mit offenem Ausgang im Drama TOOH. Immerhin beantwortet Wiegand die Frage nach einem „Plan B im Fall, dass der NT-Intendant hinwirft“, nicht. Wiegand Ziel sei, so sagt er, dass Matthias Brenner bleibt.