Bruce Springsteen in Ost-Berlin Bruce Springsteen in Ost-Berlin: Hobby-Fotograf aus Halle kam per Zufall backstage

Halle (Saale)/Berlin - Er fühlte sich bestens ausgerüstet: Mit seiner Fototasche, einer Eintrittskarte und vor allem mit einem Empfehlungsschreiben ausgestattet, hatte sich der damals 33-jährige Polytechniklehrer, Hobbyfotograf und Amateurmusiker Peru John an diesem brütend heißen Juli-Tag von Halle aus durch den ersten Autobahnstau seines Lebens in Richtung Ostberlin aufgemacht - zum großen Bruce-Springsteen-Konzert.
Das Empfehlungsschreiben stammte von einer Einrichtung namens „Kreiskulturkabinett Halle-Neustadt“ - und es sollte sich in seiner Wirksamkeit wenig später als große Enttäuschung erweisen. Ein kleiner, „wie ein Springball durch die Kante hüpfender Wichtigmann“, so John, blickte am Eingang zum Backstage-Bereich der Freiluftbühne in Weißensee nur kurz auf das Schreiben, schüttelte den Kopf und war schon wieder verschwunden.
Bruce Springsteen-Konzert in Berlin: Hobbyfotograf aus Halle hat pures Glück
Pech gehabt? Peru John nickt, wenn er an diesen Tag heute vor 30 Jahren denkt: „Eigentlich hätte es das schon gewesen sein müssen“. Doch dann habe ihn einer von den FDJ-Ordnern mit seiner Fototasche entdeckt und wohl gedacht, dass John zum Presse-Tross gehörte. Er habe ihm über den Zaun geholfen - „und drin war ich“, sagt John. Und fügt an: „Ehrlich gesagt, ich hatte in diesem abgesperrten Bereich nichts zu suchen.“
Nur durch diesen Zufall kam eins der ersten großen Foto-Projekte des Hallensers zustande, das freilich nur für eine Ausstellung für die beiden Neustädter Jugendclubs im Kino „Prisma“ und im Südpark gedacht war. Und das heute zu den unvergesslichen „Jobs“ des nun längst professionellen Fotografen zählt.
Bruce Springsteen in Ost-Berlin: Besucher schoben Abspreeungen einfach bei Seite
Unvergesslich aber nicht nur für ihn, denn das Springsteen-Spektakel vom 19. Juli 1988 war ein Ereignis der Superlative. Es darf als das größte Rock-Ereignis in der Geschichte der DDR gelten und ebenso als größter Auftritt des damals noch fast jugendlich anmutenden Rockstars. Obwohl die Zahlen in verschiedenen Quellen teils stark abweichen, ist zumeist von 160.000 verkauften Eintrittskarten die Rede.
Doch mit Blick auf die tatsächliche Besucherzahl war dies womöglich noch nicht mal die halbe Wahrheit. Zwischen 300.000 und 500.000 schwanken die Schätzungen darüber, wie viele es tatsächlich auf die Wiese an der Radrennbahn geschafft hatten? Und zwar wie? Schon kurz nachdem gegen 19 Uhr die ersten Töne des Konzerts erklangen, hätten die „ausgesperrten“, sprich nicht mit Tickets versorgten Zaungäste, die Gitter samt der Ordner ruhig aber bestimmt beiseite geschoben, erzählt Peru John, der vor der zweiten Halbzeit eine große Runde über den Platz gedreht und kaum noch Absperrungen vorgefunden hatte.
Und so könnten es um die zwei Prozent der 17 Millionen „Born in the GDR“-Kinder gewesen sein, die an diesem Abend in Springsteens „Born in the USA“ einstimmten: Schon ein Voraus-Lüftchen des „Wind of Change“?
Bruce Springsteen in Ost-Berlin: Jeder der Freund von jedem
Für Peru John, der heute eine kleine Agentur namens „Image Fabrik“ leitet, war das eher nicht der Punkt an diesem Tag: „Jeder war da plötzlich der Freund von jedem“, erinnert er sich. Und tatsächlich: Beim Blick auf seine Bilder - etwa vom Publikum aus der Backstage-Perspektive - lässt sich die unglaubliche Stimmung immer noch ahnen. Und das, obwohl an diesem Abend ausschließlich Tee (kostenlos) ausgeschenkt wurde, die Leute also kaum sprichwörtlich „im Tee“ gewesen sein konnten - von eingeschmuggelten Pullen mal abgesehen.
Bruce Springsteen hat in Ostberlin zunächst sein offizielles Tournee-Programm gespielt - einhalb Stunden lang - und dann nach einer Pause weiter „open End“. Am Ende seien es vier Stunden netto gewesen, so Peru John: Mit vielen unvergesslichen Augenblicken, als etwa der US-Star ein DDR-Girl auf die Bühne holte und mit ihr abrockte, als die Hitze-Ohnmächtigen über die hochgestreckten Arme Richtung Krankenzelt balanciert wurden und als hinter der Bühne ein Mann aus dem Tournee-Team zu John sagte, er habe ein Konzert mit solcher Stimmung „wie hier“ noch nirgends erlebt.
Peru John konnte ihm da nur beipflichten. Und bis heute, so sagt er, sei dieser Tag mit Springsteen für ihn „das Rock-Erlebnis seines Lebens“ geblieben. (mz)