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Boxen Boxen: Emotionen pur am Ring

Von Petra Szag 29.11.2011, 21:21
Halles Trainer Siegfried Vogelreuter (grüner Trainingsanzug) geht engagiert mit. (FOTO: ARCHIV/ANDREAS LÖFFLER)
Halles Trainer Siegfried Vogelreuter (grüner Trainingsanzug) geht engagiert mit. (FOTO: ARCHIV/ANDREAS LÖFFLER) CARDO

Halle (Saale)/MZ. - Halle / MZ - Das Foto spricht Bände: Wenn Siegfried Vogelreuter arbeitet, ist er mit Herz und Seele, aber auch lauter Stimme bei der Sache. Auch wenn seine Boxer, die sich im Ring schinden, die Mimik ihres Trainers kaum wahrnehmen. Ebenso wenig wie die Worte, die im Gemisch von Anfeuerungsrufen und dem flatschenden Geräusch, das die Handschuhe an den schweißgebadeten Körpern der Protagonisten erzeugen, untergehen: "Die Knochen hoch!" brüllt Vogelreuter warnend und teilt jenseits der Ringseile auf seinem Trainerhocker selbst mit aus. Links! Rechts! Links!

In Gedanken kämpft Siegfried Vogelreuter mit. Er wird es auch am Mittwoch wieder tun, wenn seine Boxer bei den deutschen Meisterschaften in Leipzig antreten. Der 58-Jährige ist Trainer des Landesleistungszentrums Boxen im halleschen Kreuzvorwerk. Und als solcher betreut er Sachsen-Anhalts Athleten des Hochleistungssports und die Anschlusskader, wie es offiziell heißt. Wobei er selbst das gar nicht so hoch aufgehängt wissen will. Er mache den Job "zusammen mit meinen Kollegen Reiner Rauchfuß und Lutz Kämpfe. Wir sind ein Team."

Das ist keine Attitüde. Es ist tatsächlich ein Charakterzug von Vogelreuter. Mag er am Ring auch laut werden - ein Lautsprecher oder Selbstdarsteller ist er mit Sicherheit nicht. "Eine Grundvoraussetzung unserer Arbeit ist die Teamfähigkeit", sagt er. "Ansonsten laufen wir Gefahr, kaputt zu gehen."

Kaputtgehen kann tatsächlich viel. Eine Menge steht für Sachsen-Anhalts Amateurboxen auf dem Spiel. Zuletzt war bei WM und Olympia kein Athlet dabei. "Wir sind in der Bringepflicht", sagt der Coach. "Bis 2013 müssen internationale Erfolge her."

Wenn Vogelreuter etwas auszeichnet, dann ist es sein unerschütterlicher Optimismus, sein Kampfgeist. Und zu kämpfen hat er von der Pike auf gelernt. Nach kurzen Stippvisiten beim Handball und Ringen landete er als sportbegeisterter Steppke im Ring. "Der Ball war schon immer mein Feind. Ich bin maximal ein geachteter Verteidiger", sagt er augenzwinkernd.

Drei Mal hat Vogelreuter den Chemiepokal gewonnen. Seit seinem Karriere-Ende 1980 ist er im Trainergeschäft. Und er gilt als sehr einfühlsam. Nur das Handwerk zu vermitteln, weiß er, reicht nicht. Vogelreuter sucht den Zugang zu seinen Sportlern.

Seine Erfahrung hat ihm geholfen, so manche schwierige Situation zu meistern. "Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder du stellst dich der Sache oder du resignierst. Das ist aber nichts für mich." Deshalb war der Herzinfarkt, den er Ostern 2008 erlitten hat, nicht das Ende der Karriere. Nur kein Selbstmitleid. Zur Reha nach Bad Suderode nahm er sein Rad mit. Damit alles schnell wieder ins Lot kommt. "Und ich habe mir von heute auf morgen das Rauchen abgewöhnt", sagt Vogelreuter.

Längst ist Vogelreuter wieder obenauf, auch zur Freude seiner beiden erwachsenen Kinder und seiner Frau Astrid, einer Lehrerin, die seine Leidenschaft von Anfang an akzeptierte.

Um sportlich wieder obenauf zu sein, dauert es vermutlich ein bisschen länger. "Die Talsohle ist durchschritten", so Vogelreuter. "Die Richtung stimmt. Wir haben einige Talente im Nachwuchs und bei den Frauen." Und er hat Kevin Künzel. Seine größte Hoffnung auch bei dieser Meisterschaft.