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Boxen Boxen: Das Stehaufmännchen im Ring

Von PETRA SZAG 16.03.2011, 20:48

Halle (Saale)/MZ. - Ali vom Babylon-Imbiss hat einen Stein im Brett bei Steven Schwan. Als der Boxer vor ein paar Wochen in das Döner-Restaurant kam, hatte der sportbegeisterte Türke seinen Kunden gleich erkannt. Als jenen Boxer, den er zuvor im Fernsehen gesehen hatte bei einem Einsatz für das Boxteam Sachsen-Anhalt. Er hatte Schwan angesprochen. "Ein unglaublich gutes Gefühl ist das", sagt Schwan. Das Interesse von Freunden, Nachbarn und Arbeitskollegen ist er ja gewohnt. Aber wildfremde Leute? Das ist ihm noch nicht oft passiert. "Daran könnte ich mich gewöhnen."

Also schaute Schwan Anfang der Woche noch einmal rein bei Ali und gönnte sich noch einmal einen Döner. "Eigentlich", sagt er schmunzelnd, "ist das Gift, so kurz vor einem Turnier." Schließlich steht ab Donnerstag der Chemiepokal an. Und Schwan ist neben Kevin Künzel der einzige Lokalmatador, der bei der Traditionsveranstaltung im Maritim-Hotel in den Ring steigt.

Für Steven Schwan ist der Chemiepokal eine neue Chance. Schon einige Male hat er versucht, die Boxwelt aus den Angeln zu heben. Geglückt ist ihm das aber bisher nicht. Er galt als hoffnungsvolles Talent. Bei zwei Europameisterschaften war er als Junior dabei. Doch eine Zeit lang konnte Schwans Körper mit seinen Träumen nicht Schritt halten. Davon zeugen viele Narben. Die größte am Bauch rührt von einer Bakterieninfektion. Ein dreiviertel Jahr hat Schwan danach gebraucht, um sich wieder heranzukämpfen. Doch nur kurz darauf musste er operiert werden. Mit Hilfe eines Stücks aus seiner Hüfte wurden die verschlissenen Knochen in der rechten Hand, der Schlaghand, aufgefüllt. Zuletzt mussten in der Schulter die ausgeleierten Bänder gekürzt werden. "So manches mal habe ich darüber nachgedacht, alles hinzuschmeißen", sagt Schwan. Doch er ist wie ein Stehaufmännchen. "Ich habe gemerkt, dass es irgendwie immer wieder nach oben geht."

Seit einem halben Jahr kann er nun konzentriert trainieren. Beim Chemiepokal soll sich das auszahlen. "Das Turnier könnte für mich zum Sprungbrett werden." Den Heimwettkampf nimmt er völlig stressfrei in Angriff: "Ich stehe nicht unter Druck. Diesmal sind die anderen die Favoriten. Ich kann also nur gewinnen."

Auch Kevin Künzel macht vor dem Turnier auf Understatement. "Ich denke nur von Kampf zu Kampf", sagt er. Dass er vor drei Jahren schon einmal Platz drei belegt hat, galt seinerzeit als große Überraschung. Sein Kampfgeist und eine ungeheure Schlagkraft haben ihm seitdem schon zu manchem Erfolg verholfen. Zuletzt schlug der frühere deutsche U-21-Meister sogar die nationale Nummer eins, Tyron Zeuge. Und Künzel weiß: Kann er das beim Chemiepokal wiederholen, rückt er wieder ins Blickfeld der Auswahltrainer.

Die stellen gerade drei separate Nationalmannschaften für die kommende vorolympische Saison zusammen. Die erste Reihe boxt bei der WM in Baku, das zweite Team soll sich bei der EM in Ankara beweisen und ein drittes kommt bei der Militär-WM in Rio zum Einsatz.

Für Kevin Künzel und Steven Schwan gilt also im wahrsten Sinne des Wortes: Es ist offen, wohin die Reise geht. Klar ist nur, wo sie enden soll: 2012 bei Olympia in London.

Der Chemiepokal beginnt am Donnerstag im Maritim-Hotel mit den Viertelfinals.