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Nach Grusel-Fund auf Friedhof Bestatter beklagt Schlamperei mit Knochen nach Grusel-Fund auf Friedhof in Halle (Saale)

Von Oliver Müller-Lorey 13.10.2017, 06:00
Robert Wermann ist Bestatter
Robert Wermann ist Bestatter Oliver Müller-Lorey

Halle (Saale) - Einige Hallenser sind am Donnerstag sicher mit einem mulmigen Gefühl auf den Friedhof gegangen. Die Bestürzung bei Trauernden ist groß, nachdem eine Frau auf dem Gertraudenfriedhof Teile eines menschlichen Skeletts gefunden hat.

Als sie eine Decke neben einem frisch ausgehobenen Grab hochzog, kullerte ihr ein Schädel mit Haaren entgegen. Die Stadt hatte sich sofort für den Fauxpas eines Friedhofsmitarbeiters entschuldigt.

Auch in der Branche wird der Fall heftig diskutiert. So wie im Bestattungshaus Avalon, wo Robert Wermann als Bestattermeister arbeitet - nach eigenen Angaben der einzige in Halle und erste in Sachsen-Anhalt. „Natürlich muss der Frau bewusst sein, dass sie sich auf einem Friedhof bewegt und dort Überbleibsel von Menschen zu sehen sein können“, sagt er.

Bestattung: „Der sauberste Weg ist eine Gebeinkiste“

„Aber was nicht sein sollte ist, dass die Knochen dort liegen. Ein Mitarbeiter hätte sie sammeln können.“ Wermann zufolge gibt es durchaus Möglichkeiten, solche Grusel-Situationen auf dem Friedhof erst gar nicht entstehen zu lassen.

„Der sauberste Weg ist eine Gebeinkiste.“ Das sei eine Holzkiste, in der die zutage geförderte Knochen gesammelt würden. Die Kiste werde auf den Boden des frischen Grabes gelegt - natürlich bevor die Angehörigen ans Grab treten. „In den meisten Fällen klappt es in Halle ganz gut, aber es gibt auch Fälle, wo geschlampt wird.“

Den Fehler im aktuellen Fall hat laut Wermann nicht seine Zunft gemacht. Denn Gräber heben seine Kollegen nur auf Friedhöfen aus, die so klein sind, dass sie kein eigenes Personal für diese Arbeit vorhalten. Auf großen städtischen Grabfeldern wie dem Gertraudenfriedhof würden Friedhofsmitarbeiter das Öffnen und Schließen der Gräber übernehmen.

Bestatter: Das sind die Aufgaben

Trotzdem muss Wermann manchmal selbst zur Schaufel greifen. Nicht der einzige Knochenjob bei seiner Arbeit. Auch für die Überführung eines Toten von der Wohnung, dem Krankenhaus oder Pflegeheim ins Bestattungshaus und das Einlassen des Sargs ins Grab muss er körperlich fit sein. Als Bestatter müsse man drei Bereiche beherrschen: den psychologischen, handwerklichen und kaufmännischen.

Stirbt irgendwo in Halle ein Mensch, kann es gut sein, dass Wermanns Telefon klingelt - auch um 3 Uhr nachts. Entweder kommt er direkt für ein erstes Gespräch vorbei oder er macht einen Termin für den nächsten Tag aus.

Im Bestattungshaus klärt er mit den Hinterbliebenen alle Fragen: Was für Musik soll gespielt werden? Wie sieht die Urne oder der Sarg aus? Welche Unterlagen braucht das Standesamt?

Bestatter schreibt Trauerrede, falls gewünscht

Außerdem muss der Bestatter den Toten entkleiden, desinfizieren und waschen. Dann wird er noch einmal desinfiziert, wieder angezogen und in den ausgesuchten Sarg gelegt. Nach der Überführung zum Krematorium oder zum Friedhof steht noch die Trauerrede an, wenn eine gewünscht wird.

Um mehr über den Toten zu erfahren, ist ein weiteres Gespräch mit den Angehörigen nötig. Doch wie klappt das: ein Jahrhundert Lebenszeit in fünf Minuten Redezeit zu verpacken? „Ein guter Redner bildet nicht das ganze Leben ab, sondern hebt das Besondere hervor“, sagt Wermann. Nach dem Einlassen des Sargs ist seine Arbeit getan und der Bestatter fährt zum nächsten Fall.

Bestatter aus Halle: Ich verbringe nur zehn Prozent mit Toten

Auch wenn es immer hieße, seine Branche habe den ganzen Tag mit Toten zu tun, sei das nicht richtig, sagt Wermann. „Ich verbringe nur zehn Prozent mit Toten. Den Rest mit Angehörigen, Behörden und Friedhofsmitarbeitern.“

Für ihn sei es eine Ehre, den Toten und die Angehörigen zu begleiten. Doch das gilt offenbar nicht für all seine Kollegen. Während den einen ein individueller Abschied immer wichtiger werde, gebe es auf der anderen Seite eine Entwicklung hin zu einer, wörtlich, „Entsorgungsmentalität“.

Der Umgang mit Toten und die Materialien seien „billig, lieblos und qualitativ minderwertig“. Und so lange es Menschen gebe, die solche schlechten Angebote nachfragten, würden diese auch verkauft, meint Wermann. Bei vertrauenswürdigen Bestattern könne man sich hingegen auf gute Dienstleistungen verlassen. Dazu gehöre übrigens auch ein Gang zum Grab, bevor die Beisatzung stattfindet, um böse Überraschungen auszuschließen. (mz)