Alte Tradition lebt wieder auf Alte Tradition lebt wieder auf: Knoblauchfest auf der Würfelwiese
Halle/MZ. - Sie müssen ganz schön geschlemmt haben, die Kalandsbrüder. Mehrere Tage lang, so ist es überliefert, hätten die Mitglieder der Brüderschaft im mittelalterlichen Halle zu Pfingsten gegessen, getrunken und gefeiert. Und zwar so sehr, dass sie regelmäßig am Mittwoch nach Pfingsten einen Knoblauchtag brauchten - "zur Festigung der leicht angegriffenen Gesundheit", wie ein Chronist vermerkte. Dieser Fastentag hielt sich in Halle auch noch, als es die Ordensbrüder schon gar nicht mehr gab. Mehr noch - der Knoblauchsmittwoch wurde zu einer Tradition, bei der die Bürger nicht nur reichlich Knoblauch aßen, sondern sich auch beim Würfelspiel amüsierten - und zwar auf der Würfelwiese.
Auf diese Geschichte sind Norbert Böhnke und Ulrich Hellem gestoßen - ein zugereister Hallenser und ein gebürtiger. Beide sind von dem historischen Treiben dermaßen fasziniert, dass sie beschlossen: Diese Tradition lassen wir wieder aufleben - und zwar am Mittwoch, 22. Mai. Dann wird auf der Wiese am Robert-Franz-Ring neben dem AOK-Gebäude der erste Knoblauchsmittwoch seit 132 Jahren gefeiert - im Jahr 1870 hatte die Polizei mit einem Verbot dem Treiben ein Ende gesetzt.
Warum? Das kann Böhnke, ein studierter Politikwissenschaftler, Historiker und Kunstwissenschaftler, der seit 1995 in Halle lebt, nur vermuten. Wahrscheinlich hänge das Verbot mit der Umgestaltung der Würfelwiese zu einem Park zusammen, den man schützen wollte. Wegen des Knoblauch-"Duftes" könne das Fest nicht verboten worden sein. "Da hat es im alten Halle viel schlimmere Gerüche gegeben - die Gerbersaale stank, und mitten in der Stadt wurden Schweine gemästet." Wie dem auch sei. Bevor sich die Beiden an die Organisation des Festes machten, schrieben sie an den Polizeipräsidenten von Halle und baten um die Aufhebung des Verbots. Die Antwort von Walter Schumann ließ nicht lange auf sich warten - in einem humorvollen, teils in Versform gehaltenen Schreiben kam er der Bitte nach.
So steht dem Fest nichts mehr im Wege. Wie der Tag ablaufen soll, schildert Ulrich Hellem, von Beruf Orchestermusiker: "Die etwa 20-köpfige Knoblauchsmittwoch-Gesellschaft wird um 17 Uhr in festlichen Kleidern sowie in Frack und Zylinder vom Leipziger Turm über den Markt bis zur Würfelwiese laufen, wo die festliche Tafel um 18.30 Uhr eröffnet wird. Zu essen gibt es, keine Frage, Knoblauch-Brötchen und Knoblauch-Knack- und Schlackwurst. Jeder zahlt, was er verzehrt. Anschließend spielt eine Kapelle zu Walzer und Polka auf. Gegen 22 Uhr setzt dann das Lied "An der Saale hellem Strand" als vierstimmiger Chorsatz einen Schlusspunkt. "Die Gäste - es kann kommen, wer will, es gelten keine Kleidervorschriften - müssen schließlich tags darauf wieder arbeiten", so Hellem. Beide wollen mit dem Fest nicht nur eine alte Tradition wiederbeleben. "Uns geht es darum, bürgerschaftliches Engagement für Halle zu wecken", erklärt der in Aachen geborene Böhnke. Deshalb sei jeder willkommen, der sich einbringen möchte. Geld verdiene übrigens niemand mit dem Knoblauchsmittwoch.