12 Stunden täglich beim Turnen: 12 Stunden täglich beim Turnen: Matthias Fahrig im Praxistest für seinen Trainerschein

Halle (Saale) - Matthias Fahrig war in den letzten Tagen nur schwer erreichbar. „Kein Witz“, erklärte Halles Top-Turner sein Dilemma, „mir ist das Handy ausversehen ins Klo gefallen. Also habe ich so ne alte Krücke wieder vorgekramt, die aber nicht sehr zuverlässig ist.“

Erschwerend kommt hinzu, dass sein Arbeitstag in der Turnhalle gerade sehr früh beginnt und verdammt spät endet. Weil er zwischenzeitlich das komplette Training von Halles Turnerinnen übernommen hat, legte er seine eigenen Übungseinheiten vor die der Mädchen, in deren Mittagspause und auch danach. „7.30 Uhr geht’s los und meist komme ich erst 19.30 Uhr zurück, aber das macht mir überhaupt nichts aus“, sagte der 31-Jährige.

Die für Nadja Schulze und deren junge Mitstreiterinnen eigentlich verantwortliche Trainerin Conny Schütz entspannt gerade für ein paar Tage in Österreich. Deshalb ist er in die Bresche gesprungen. Was nicht überrascht, schließlich übt er mit ihnen an den Geräten Boden und Sprung, an denen er selbst zur Weltspitze zählte, sowieso schon seit längerem. Für den an seinem Trainerschein arbeitenden Hallenser ist das zugleich also auch ein guter Praxistest.

Kim Janas darf nun doch zurück an Halles Sportschule. Das Talent, das mehr als zwei Jahre mit der Nationalmannschaft am Bundesstützpunkt in Stuttgart trainiert hatte, war nach einer erneuten Knieverletzung am Jahresende in ihre Heimatstadt zurückgekehrt, dachte zwischenzeitlich sogar über ein Karriereende nach.

Die Genesung verläuft gut. Um ihr die Möglichkeit zu geben, sich zurückzukämpfen, haben das Schulamt und der Direktor der halleschen Sportschulen, Axel Schmidt, nach erneuter Beratung dem Antrag der Zehntklässlerin und ihrer Familie entsprochen. Kim Janas darf ab sofort wieder an ihrer alten Schule lernen, da das Abitur ablegen. Wenn es die Gesundheit erlaubt, wird sie am Stützpunkt Halle trainieren.

Auch wenn er seine Berufsausbildung forciert, denkt der doppelte Europameister von 2010 noch lange nicht daran, seine eigenen Ambitionen zurückzuschrauben. Dass er beim Auftakt-Lehrgang der Nationalmannschaft letzte Woche in Kienbaum nicht dabei war, wurmt ihn nicht. Die Auswahl-Riege, das weiß Fahrig, befindet sich im Umbruch, da erhalten die Jungen ihre Chance wie sein 18 Jahre alter Trainingsgefährte Nick Klessing.

Fahrig will versuchen, die Verantwortlichen im Verband mit Leistung zu überzeugen. Beim National Team Cup Anfang März in Heilbronn wird auch er mit an die Geräte treten. Wer da ordentlich punktet, der wird sicher auch bei der EM einen Monat später in Bukarest mit dabei sein. Deshalb arbeitet Fahrig gerade daran, seine eigenen Übungen den wieder einmal geänderten Wertungsbestimmungen anzupassen. Elemente, die weniger Abzüge bringen, kommen dazu, andere werden dafür gestrichen. Vor allem am Barren muss der Hallenser einiges verändern.

Trotz der vielen Arbeit fühlt sich der Routinier gut, besser als vor einem Jahr. „Da hatte ich gerade wieder gelernt, mich schmerzfrei zu bewegen“, sagte er. Wegen eines doppelten Kieferbruchs musste er lange pausieren - und doch gelang ihm im Frühjahr ein Weltcupsieg.

Die Platten, die ihm damals eingesetzt wurden, müssen nun raus. „Ist das eine Sache von ein, zwei Tagen, wird das demnächst passieren“, so der Sportsoldat. „Sagt der Arzt, dass es länger dauern wird, muss das warten.“ Schließlich heißt es am 4. März hopp oder top. (mz)