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Postmeilensäule in Gräfenhainichen Postmeilensäule in Gräfenhainichen: Getretenes Denkmal

Von Sabine Wesner 22.01.2018, 10:26
Zur Einweihung der Postmeilensäule im Mai 1972 fuhr auch die prächtige Postkutsche der Stadt vor. Sie verschwand später in Berlin.
Zur Einweihung der Postmeilensäule im Mai 1972 fuhr auch die prächtige Postkutsche der Stadt vor. Sie verschwand später in Berlin. Stadtarchiv

Gräfenhainichen - Es grenzt an ein Wunder, dass Gräfenhainichen heute noch eine Postmeilensäule besitzt. Die Stele, die erst seit 1972 an der Ecke Marktstraße und Friedrich-Ebert-Straße wieder aufgestellt wurde, war viele Jahrzehnte verschollen.

Von August dem Starken

Die kursächsische Postmeilensäule wurde vor genau 290 Jahren auf Anordnung von August des Starken, Kurfürst und Herzog von Sachsen und König von Polen-Litauen, in Gräfenhainichen aufgestellt. „Wo genau lässt sich heute leider nicht mehr sagen. Aber der Marktplatz der Stadt mit seinem großen Gasthaus ,Stern’ und der unmittelbaren Nähe zu den damaligen Hauptverkehrswegen, könnte Standort für die Säule gewesen sein“, sagt Gräfenhainichens Stadtarchivar Peter Pätz.

Diese Säulen, die damals gewissermaßen als die ersten Verkehrszeichen an allen wichtigen Post- und Handelsstraßen und in fast allen Städten des einstigen Kurfürstentums Sachsen aufgestellt wurden, sind Meilensteine, die Entfernungen zu anderen Städten angeben.

Grundlage für die Aufstellung der sächsischen Postmeilensäulen bildeten die kartografischen Arbeiten des Pfarrers Adam Friedrich Zürner aus Skassa. Der erhielt 1713 den Auftrag, die kursächsischen Gebiete zu vermessen. Das entstandene Kartenmaterial blieb allerdings aus militärischen Gründen über viele Jahrzehnte geheim.

Lediglich die sogenannte Post-Landkarte ließ der Kurfürst veröffentlichen. Zur Vereinheitlichung der damals regional unterschiedlichen Meilenmaße wurde 1722 die Kursächsische Postmeile eingeführt. Dabei entsprach eine Wegstunde einer halben Meile, das sind etwa 4,5 Kilometer.

Als die restaurierte Postmeilensäule am 12. Mai 1972 wieder in Gräfenhainichen aufgestellt wurde, gab es ein kleines Fest. Neben den beiden Initiatoren Helmut Czornick und Wolfgang Leßmann waren viele Schaulustige sowie Vertreter von Stadt und Partei mit von der Partie. Auch die Post war dabei - kam mit einem kompletten Postchor und der Gräfenhainichener Postkutsche, auf welcher der ehemalige LPG-Vorsitzender Friedrich Kirchhof aus Mescheide als Kutscher saß. Das historische Gefährt, das bis 1987 in Gräfenhainichen stand, fuhr bei besonderen Anlässen wie Festen und Karnevalsumzügen durch die Stadt.

Zum 750. Berlin-Geburtstag hatte man sich 1987 das prächtige Gefährt in der Hauptstadt für einen der vielen Festumzüge ausgeliehen. „Gefahren ist sie dort auch. Aber zurückgekehrt ist die Kutsche leider nie. Und es gibt auch keinerlei Informationen darüber, wer sich die Gräfenhainichener Postkutsche unter den Nagel gerissen hat“, sagt Stadtarchivar Peter Pätz.

Heute findet man noch etwa 200 Postmeilensäulen im Raum Sachsen und den angrenzenden Gebieten. Neben den Viertel-, Halb- und Ganzmeilensäulen fallen die mit Wappen geschmückten Distanzsäulen, von denen es heute nur noch ganze 107 gibt, wohl am meisten auf.

Ein Problem für die Preußen?

Wann und warum die Gräfenhainichener Postmeilensäule später aus dem Stadtbild verschwand, ist nicht belegt. „Möglicherweise stand sie dem Fortschritt im Weg. Oder die Stadt hatte, als sie 1815 zu Preußen kam, mit den sächsischen Wegweisern ein Problem“, vermutet so Pätz. Jedenfalls wurde das Denkmal abgerissen und verschwand spurlos. Und das, obwohl Generationen von Schülern Tag für Tag ihre Füße auf die einst mit viel Aufwand hergestellte Stele setzen und die eingemeißelten Entfernungsangaben Tritt für Tritt für immer aus dem Sandsteinblock schliffen.

„Sparsam wie die Bürger waren, wurde die Stele als Treppenstufe in den Eingang der alten Gräfenhainichener Schule am Kirchplatz eingebaut und überdauerte so die Zeit“, erzählt der Hüter des Stadtarchivars. Erst als die alte Schule 1898 vor dem Bau einer neuen Schule abgerissen wurde, wurde die Stele wieder entdeckt, aber damals fast unbeachtet in einer Ecke auf dem Schulhof abgestellt.

Frevel entdeckt

Es dauerte fast sieben Jahrzehnte, bis zwei historisch interessierte Gräfenhainichener den Frevel herausfanden und das historische Objekt sicherstellten. „Nur der Hartnäckigkeit von Helmut Czornick und Wolfgang Leßmann und der Unterstützung durch den damaligen Kulturbund, der eigens eine Forschungsgruppe Kursächsische Postmeilensäulen unterhielt, ist die Erhaltung unserer Postmeilensäule aus Zeiten der Postkutschen zu verdanken“, lobt Pätz Czornicks Engagement für Gräfenhainichens Stadtgeschichte.

„Czornick war Geografie- und Astronomielehrer in Gräfenhainichen und hat vieles festgehalten, was zu DDR-Zeiten als nicht so interessant galt und manchmal vielleicht auch von den Oberen nicht gewollt war. Aber er hat sich davon nicht beirren lassen. Von seinen Aufzeichnungen profitieren wir noch heute“, gesteht Pätz.

Weil nur das Mittelteil mit den Entfernungsangaben erhalten geblieben war, mussten Anfang der 70er Jahre auch der Sockel und der verzierte Wappenteil mit den sächsischen und polnischen Wappen neu von einem Steinmetz gefertigt werden. Seither steht die 1999 noch einmal restaurierte Säule an ihrem neuen Platz und zeigt die Entfernungen in andere Städte an. Allerdings nur auf zwei Seiten. Die anderen beiden Seiten sind für immer ausgelöscht. (mz)

Gräfenhainichens Postmeilensäule zeigt nur auf zwei Seiten Entfernungen an. Die anderen wurden von Kinder- und Lehrerschuhen abgeschliffen.
Gräfenhainichens Postmeilensäule zeigt nur auf zwei Seiten Entfernungen an. Die anderen wurden von Kinder- und Lehrerschuhen abgeschliffen.
S. Wesner