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Gericht Im Nebel der Erinnerung in Gräfenhainichen

Eine Zeugin und Freundin gibt im Prozess an, nichts mehr zu wissen, auch keine Namen.

Von Andreas Behling 14.05.2021, 09:56
Das Landgericht in Dessau.
Das Landgericht in Dessau. (Foto: Ruttke)

Dessau/Gräfenhainichen - Im Prozess gegen einen Angeklagten aus Gräfenhainichen, der sich wegen mehrerer Taten im Jahr 2020 (Beleidigung/17. Februar, gefährliche Körperverletzung/13. September, besonders schwerer Raub und gefährliche Körperverletzung/31. Oktober) zu verantworten hat, sind am 3. Juni die Plädoyers vorgesehen. Das kündigte Uda Schmidt, Vorsitzende Richterin der 2. Strafkammer des Landgerichts Dessau-Roßlau, an.

Noch einmal zum Poetenweg

Ob noch am gleichen Tag das Urteil verkündet werden kann, ist offen. Das hängt auch davon ab, wie umfassend der Beratungsbedarf innerhalb der Kammer ist. Am mittlerweile sechsten Verhandlungstag sollten die Geschehnisse vom 13. September 2020 im Mittelpunkt stehen. Damals war es an mehreren Bänken am Gräfenhainichener Poetenweg zu einer Auseinandersetzung gekommen, bei der der 28-jährige Angeklagte einem Gegner, der ihn zuvor provoziert hatte, mit einem Teleskopschlagstock eine blutende Verletzung im Gesicht zugefügt haben soll.

Die Prozessbeteiligten mussten freilich hinnehmen, dass die einzige Zeugin des Tages, deren Erscheinen durch eine polizeiliche Vorführung abgesichert werden musste, die Hoffnung auf eine vertiefende Aufklärung enttäuschte. „Ich glaube, das bringt nichts mehr. Danke“, verzichtete Staatsanwältin Renate Prause auf eine eingehendere Befragung der 18-Jährigen.

Zuvor hatte sich die Vorsitzende Richterin mit äußerst mäßigem Erfolg bemüht, die junge Frau - immerhin die Freundin des Geschädigten - zu einer verwertbaren Aussage zu bewegen. Die mit ein paar Variationen versehene Reaktion darauf lautete: „Wie gesagt, ich weiß kaum was von dem Tag. Ich hatte was getrunken. Es könnte sein, dass da was gewesen ist. Ich kann mich aber nicht wirklich daran erinnern.“

Dass ihr Freund kürzlich selbst als Zeuge vernommen worden ist, habe sie zwar mitbekommen, doch sie habe nicht nachgefragt, wie die Verhandlung ausgegangen sei. Eine Einlassung mehr, die auf der Richterbank für Verblüffung sorgte. „Es ist Ihr Freund! Das können Sie mir nicht erzählen, dass Sie alles ausgeblendet haben“, hatte Uda Schmidt schon an anderer Stelle formuliert. Doch es blieb dabei, dass es die Zeugin vorzog, sich im trüben Nebel vager Erinnerungen zu bewegen.

Da überraschte es kaum, dass sie noch nicht mal den Nachnamen einer sogenannten Kumpeline abgespeichert hatte, bei der sie sich am Abend des 13. September zeitweilig aufgehalten haben will. Einer Kumpeline, die die aktuelle Freundin eines Gräfenhainicheners ist, der damals zu den häufigen Begleitern des Angeklagten gehörte.

Sehr viele Lücken

Den Angeklagten zu kennen, bestritt die 18-Jährige ebenfalls. Auf den Vorhalt, dass es ihr Freund war, der bei der Polizei aussagte, sie selbst habe dem 28-Jährigen bei einem Treffen vor einem Einkaufsmarkt nicht nur mit Cola bespritzt, sondern auch einen Tritt in die Kniekehle versetzt, griff sie auf die aus ihrer Sicht bewährte Taktik zurück und antwortete: „Ich kann mich wahrscheinlich auch an den Tag nicht erinnern.“ (mz)