Serie Serie: Halbes Leben im Handstand
eisleben/MZ - Mehr als 600 Bücher stehen im Obergeschoss des kleinen Reihenhauses. Fein säuberlich geordnet nach Themengebieten. „Ich habe fast alle gelesen“, sagt Dieter Teuber beim Betreten seiner Bibliothek, wie er das Arbeitszimmer selbst gern nennt. „Hier sitze ich oft. Da mache ich den Fernseher aus und gehe hoch.“ Doch dort liest der 71-Jährige nicht nur, sondern erinnert sich gern an seine fast 3000 Auftritte zu DDR-Zeiten.
Denn trotz Behinderung als Folge einer Kinderlähmung hat es der Eisleber als Handstandartist zu großer Bekanntheit zwischen Elbe und Oder gebracht. „Ich habe in allen großen Häusern gearbeitet“, erzählt der gelernte Schuhmacher, der auf Anraten eines Arztes gezielt die Armmuskulatur stärkte, weil die der Beine nicht funktionierte. Das Hallische „Steintor-Varieté“, der „Kristallpalast“ in Leipzig oder des Dresdner „Café Prag“ (gemeinsam mit Conférencier O.F. Weidling) waren Stationen einer fast drei Jahrzehnte währenden Laufbahn. Und wenn der „Zirkus Probst“ in der Lutherstadt gastiert, dann findet sich Teuber gern zu einem Schwätzchen ein. Auch wenn der 90-jährige Seniorchef Rudolf Probst, der ihn einst nach einem Gastauftritt bei einer Flasche Wodka für länger engagieren wollte, nicht mehr mit auf Tournee geht. Auch Dieter Teuber lässt es als Rentner ruhiger angehen. „Das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Sechs Auftritte an einem Tag wie in Schwerin“, sagt er.
Zwei feste Termine aber gibt es auch dieses Jahr in seinem Kalender. Am Sonntag trifft er sich mit ehemaligen Berufskollegen in der Nähe von Wittenberg. Zum 22. Mal. „Es werden ja immer weniger über die Jahre. Aber wir haben immer viel zu erzählen.“ Und Anfang Oktober zieht es Teuber nach Eisenberg ins Mühltal. Dort lernte er 1961 bei einem seiner ersten Auftritte Emil Bahr kennen, der unter dem Namen Milo Barus als stärkster Mann der Welt auftrat, Autos mit bloßer Muskelkraft am Losfahren hinderte oder Pferde auf der Schulter Leitern hochtrug. Seit 2004 ist Dieter Teuber Ehrenmitglied im „Club der starken Männer“ bei Einheit Eisenberg. Der Verein ist Organisator des Milo-Barus-Cups, ein Kraftsportwettstreit.
Bis 2008 hat Teuber auch als Kampfrichter und Schwimmlehrer gearbeitet. Schon 1975 hatte ihn Jochen Zosel für diesen Sport begeistert. „Da war ich vor allem Trainer. Kindern das Schwimmen beizubringen, dass ging ja bei mir erst nach der Wende so richtig los.“ Denn 1989 musste Teuber seine Artistenlaufbahn beenden, nachdem ihm bei einem Auftritt ein Muskel in der linken Schulter abgerissen war. Und sein größter Traum blieb unerfüllt. Einst wollte er auf Händen in Etappen von Eisleben nach Halle laufen. Spezielle Schuhe für die Hände waren schon in Arbeit. „Aber die da oben wollten das nicht“, sagt Teuber. Dann waren die da oben weg. Nur Teuber konnte wegen seines Unfalls nicht mehr.