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Miniaturschnitzer aus Eisleben Miniaturschnitzer aus Eisleben: Wälder in Nuss-Schalen

Von Antonie Städter 16.02.2014, 14:29
Lothar Lauterbach ist ein herzlicher Mensch. Seine Liebe gilt der Natur, deren Früchte er für seine Miniaturschnitzereien nutzt.
Lothar Lauterbach ist ein herzlicher Mensch. Seine Liebe gilt der Natur, deren Früchte er für seine Miniaturschnitzereien nutzt. Andreas Stedtler Lizenz

Eisleben/MZ - Der Empfang ist herzlich. Lothar Lauterbach liebt es, von seinen Kreationen zu erzählen, von seinem Leben, seinen Rekorden und wie es dazu kam, dass er als Miniaturschnitzer und Naturschützer zu einem bekannten Gesicht nicht nur in Eisleben wurde, wo er mit seiner Frau lebt. In seiner Wohnung, genauer im früheren Kinderzimmer der Tochter, werkelt der 84-Jährige an seinen filigranen Mini-Welten, die er zumeist aus Holz, Nüssen oder Kernen erschafft.

Eulen fertigt er aus Schwarznüssen

An diesem Nachmittag stehen seine Arbeiten natürlich schon bereit. Das Lieblingsthema des leidenschaftlichen Naturschützers ist der Wald, so viel ist sofort klar. Viele Eulen sind darunter, die er aus Schwarznüssen gefertigt hat. Oder zum Körbchen umfunktionierte Nüsse, die getrocknete Blüten des Kugelamaranths tragen - den zieht er in seinem geliebten Garten selber. Wie akribisch Lothar Lauterbach arbeiten muss, wird bei den Walnüssen und Riesenwalnüssen deutlich, in denen er ganze Waldlandschaften untergebracht hat - aufs Feinste aus Weidenholz herausgearbeitet. Das eignet sich besonders gut für die ganz kleinen Sachen, sagt er.

Sonst verwendet er meist das Holz der Linde. Und dann präsentiert er seinen „Fotografenschreck“: einen Schlehenkern, in den der passionierte Pilzsammler 14 geschnitzte Bäume und zwei Pilze eingesetzt hat. Die Fotografen jammern jedes Mal bei solch Winzigkeiten. Und Lothar Lauterbach grinst. Mit einem ähnlichen Exemplar, einem mit zehn Tannen und zwei Pilzen verzierten Schlehenkern, hat er es vor einigen Jahren ins Guinness-Buch der Rekorde geschafft. Und sich später selbst übertrumpft. Insgesamt drei Mal sind seine Arbeiten dort verewigt.

Lieblingsthema des Naturschützers ist der Wald

Die Ideen gehen dem gelernten Orthopädieschuhmacher, der wegen schwerer Krankheit schon früh Invalidenrentner wurde, nie aus. Oder, wie er selber sagt: „Langeweile gibt es bei mir nicht.“ Seit Jahrzehnten beschäftigt er sich mit der Schnitzerei. Dabei ist er seit seiner Kindheit auf einem Auge blind. Wie macht er das? „Solange die Hände nicht zittern, geht es noch“, sagt der Mann mit der grünen Arbeitsschürze. Gerne stellt er gleich viele Stücke eines Motivs auf einmal her, wie er erzählt: „Wenn ich den ganzen Tag Pilze von zwei Millimetern Durchmesser schnitze, bekomme ich ein Gefühl dafür.“ Seine wichtigsten Werkzeuge: ein altes Rasiermesser und ein Skalpell, zum Schnitzmesser umgearbeitet. Eine Pinzette und natürlich die Lupenbrille, zudem ein alter Zahnarztbohrer für die Arbeit an harten Kernen oder Nüssen. Am liebsten arbeite er in der Stille - „ich muss mich ja sehr konzentrieren“.

Einmal habe sich eine Medizinstudentin aus Weimar an ihn gewandt: Ob er ein menschliches Hirn auf eine Erbse schnitzen könne? Natürlich konnte er. Derlei Wünsche scheinen Lauterbach geradezu anzustacheln. „Die ist doch verrückt“, habe seine Frau damals gesagt. Lauterbach antwortete nur: „Na und, ich doch auch.“ Der Mittachtziger lacht, als er sich daran erinnert - das tut er gern und oft. Um einen Spruch ist er nie verlegen. Er habe die Studentin dann angerufen, berichtet er feixend, und gesagt: „Sie können Ihr Hirn abholen.“ Lauterbach könnte stundenlang solche Storys erzählen. „Jedes Stück hat seine eigene Geschichte.“ Man würde wohl Tage brauchen, um sie alle zu ergründen.

Die Studentin sei übers Internet auf seine Arbeiten aufmerksam geworden. Er selbst nutzt es zwar nicht - „aber die Leute erzählen mir, was man dort über mich findet“, so der Eisleber, der gebürtig aus Kleinosterhausen nahe der Stadt stammt. Und hin und wieder bekommt er dann einen Anruf mit mehr oder weniger kuriosen Wünschen. Zum Beispiel hat er auch schon die Autobahnkirche von Rothenschirmbach nachgebildet.

Sprungschanzen in Nuss-Schalen gehören ebenso zu seinem Repertoire. Denn der Mann ist auch noch Autogrammsammler. Und Skisprung-Fan. Was läge da näher, als dem erfolgreichsten deutschen Skispringer, Jens Weißflog, solch ein Exemplar zu schicken? Das Autogramm kam prompt. Auch Sotschi-Teilnehmer Andreas Wank bekam natürlich solch eine Schanze. Und schrieb zurück: „Größte Hochachtung vor dieser präzisen Arbeit.“

„Die Ohrhänger gehen am besten“

Bei den Ausstellungen oder Bauernmärkten, wo Lothar Lauterbach auch heute noch hin und wieder seine Arbeiten zeigt und verkauft, seien aber ganz andere Objekte am beliebtesten. „Die Ohrhänger gehen am besten“, erzählt er. Und zeigt eine umfunktionierte große Pralinenschachtel voller Ohrringe aus Aprikosenkernen, Pekannüssen oder auch Kernen einer Palmenart, die ihm seine Tochter von den Seychellen mitgebracht hat. Dann holt er seinen „Musterkoffer“ hervor: eine Kokosnuss zum Aufklappen, in der er eine Auswahl seiner Arbeiten arrangiert hat. Er hat sie Ende des Jahres fertiggestellt, es ist die zweite dieser Art. Der Prototyp stehe inzwischen im Museum für Sächsische Volkskunst in Dresden, erzählt Lauterbach. „Das ist für mich eine große Auszeichnung“, sagt er - und man merkt, wie stolz ihn das macht.

Lothar Lauterbach hat es nicht immer leicht gehabt in seinem Leben. Mit 15 Jahren in den Krieg gezogen, später die Gefangenschaft - der fröhliche Mann wird sehr traurig, als er davon erzählt. Er erkrankte an Tuberkulose, verbrachte mehr als zehn Jahre in Krankenhäusern und Heilstätten. Als er sich von der Krankheit erholt hatte, befolgte er, wozu die Ärzte ihm geraten hatten: Ging viel in die Natur - wanderte, fuhr Rad, im Winter auch Ski. Noch heute ist er mit dem Rad, inzwischen einem Elektrofahrrad, unterwegs.

Die Liebe zur Natur prägt Lauterbachs Alltag

Zum Schnitzen kam Lauterbach vor vielen Jahren bei einem Lehrgang in einer Naturschutzschule. Dort lernte er Horst Schreiter, einen Schnitzkünstler aus dem Erzgebirge, kennen. „Er wurde damals mein Lehrmeister“, erzählt Lothar Lauterbach. „Die Schule hatte Kurt Kretschmann, der Erfinder der Naturschutzeule, ins Leben gerufen.“ Mit ihm habe er auch später Kontakt gehabt. „Am 2. März wäre sein 100. Geburtstag.“

Die Liebe zur Natur prägt noch immer Lauterbachs Alltag. „Sie ist mir sehr wichtig“, sagt der Mann, der früher nebenher in einer Gärtnerei mitgearbeitet hat und sich bis heute im Naturschutz engagiert - etwa auch, indem er Nistkästen repariert. „Wenn irgendwo eine Motorsäge geht, bin ich schon da und frage, ob es eine Genehmigung gibt.“ Oft ist er in seinem Kleingarten anzutreffen, werkelt auch gerne in der Laube dort an seinen Arbeiten - nur wenige hundert Meter von seiner Wohnung entfernt. Er beschäftigt sich mit Kräutern, gilt in der Region als Experte für Hornissen und macht Lehrwanderungen in die Natur für Kinder. „Leider gibt es immer weniger Anfragen von den Schulen“, sagt er.

Welche Pläne er hat? Da muss Lothar Lauterbach nicht nachdenken. „Ich mache keinen Plan“, sagt er. „Ich mache alles aus der Lamäng.“

Zu seinen Arbeiten gehören winzige Waldlandschaften, die er in Nussschalen unterbringt.
Zu seinen Arbeiten gehören winzige Waldlandschaften, die er in Nussschalen unterbringt.
Andreas Stedtler Lizenz