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Lebensweg Lebensweg: Eisleber auf der Suche nach seiner Herkunft

Von Anke Losack 02.07.2015, 17:23
Gerhard Lindau auf seinem Balkon mit den Unterlagen über seinen Geburtsort.
Gerhard Lindau auf seinem Balkon mit den Unterlagen über seinen Geburtsort. Jürgen Lukaschek Lizenz

Eisleben - Vor etwa zwei Jahren bekam der Eisleber Gerhard Lindau einen Anruf, der ein Rätsel seines Lebens lüftete. „Sind Sie Gerhard Lindau? Sind Sie am 3. Juli 1939 geboren?“, fragte Anrufer Hans-Werner Liebig. Und als er dem Eisleber den Grund seines Telefonats erzählte, machte es Gerhard Lindau betroffen. Da war sie wieder, die Frage, die ihn lange beschäftigt hat: die Frage nach seinem Geburtsort. Löhnhorst steht in seinen Papieren. Doch was es mit dem Ort auf sich hat, hat ihm seine Mutter nie erzählt.

Geburt im Lebensborn-Heim

Wie sich herausstellte, war Gerhard Lindau das 39. von 217 Kindern, die zwischen Mai 1938 und Januar 1941 im damaligen SS-Lebensborn-Heim in Löhnhorst in der Nähe von Bremen geboren wurden. „Mein Vater war bei der Wehrmacht“, sagt er. Die in Eisleben lebende Familie habe wohl einen Antrag gestellt, dass die damals 25-jährige Martha Lindau in einem solchen Heim entbinden kann. Die „arische“ Herkunft wurde dann geprüft und über die Zulassung entschieden. „Dort entbinden zu dürfen, das war ein Privileg. Es gab gute medizinische und pflegerische Betreuung“, weiß Gerhard Lindau heute.

Sein Vater sei nach Kriegsende in den Westen gegangen. „An ihn kann ich mich kaum erinnern“, sagt er. Und seine Mutter hat ihm nie etwas über Gut Hohehorst, ein Herrenhaus, das 1938 von den Nationalsozialisten übernommen und als Lebensborn-Heim genutzt wurde, erzählt. „Sie hat wie einen Schutzschirm um sich gebaut“, sagt Gerhard Lindau. Die Mutter wollte wohl nicht, dass ihr Sohn Repressalien ausgesetzt wird, vermutet er. „Nach dem Krieg wusste man ja nicht, was passieren kann.“

Rätselhaftes Foto

Alles über seinen Geburtsort hat er von dem Löhnhorster Hans-Werner Liebig erfahren. Dieser sammle ehrenamtlich jegliches Material über die Geschichte von Gut Hohehorst. „Er hat meinen Namen entdeckt und recherchiert“, sagt Gerhard Lindau. Liebig schickte ihm Material, unter anderem eine DVD, zu. „Das machte die Sache für mich interessant“, so der Eisleber, der bis zur Rente einen Raumausstatterbetrieb in der Lutherstadt leitete. So interessant, dass er in diesem Jahr zu Pfingsten, während eines Kurzurlaubes in Stade, mit seiner Frau Sabine einen Abstecher zu seiner Geburtsstätte machte und sich dort mit Hans-Werner Liebig traf. „Das war sehr bewegend für mich“, sagt Lindau, der sein Geburtshaus auch betreten konnte. Er hält kurz inne und nimmt dann ein Foto aus seinen Unterlagen. Aufgenommen in einem Park sind seine Mutter sowie seine älteren Geschwister Johanna und Heinrich darauf zu sehen. „Das Foto stammt von meiner Mutter. Ich wusste nie, wo es aufgenommen wurde.“ Dank Liebig weiß er das nun.

Am Donnerstag feiert der Eisleber Gerhard Lindau seinen 76. Geburtstag. Viele Wünsche seien für ihn schon in Erfüllung gegangen. „Ich fühle mich fit wie ein Turnschuh, bin glücklich mit meiner Sabine und habe das Glück, dass mein Sohn und meine Tochter in meiner Nähe sind“, sagt er und fügt an: „Und ich bin beruhigt und sehr glücklich, dass es mir noch vergönnt war, meinen Geburtsort kennenzulernen.“ (mz)