Einsamkeit im Alter Einsamkeit im Alter: Tot in der eigenen Wohnung - und keiner bemerkt es

Hettstedt/Eisleben - Ein Mensch stirbt - und wird offenbar von niemandem vermisst. Auch im Mansfelder Land kommt es immer wieder vor, dass Verstorbene über mehrere Tage unbemerkt tot in ihrer Wohnung liegen. Einsamkeit, vor allem im Alter, ist ein Problem. Und viele meinen: Es nimmt zu.
In Eisleben sind es laut Stadtverwaltung im Jahr im Schnitt sieben Personen, die sterben und erst nach längerer Zeit gefunden werden. Zwischen 20 und 30 Mal kommt es vor, dass ein Toter auf Kosten der Stadt bestattet wird, weil keine Angehörigen ausfindig gemacht werden konnten.
Bestattung ohne Angehörige
In den letzten Jahren sei die Zahl solcher Bestattungen gestiegen, sagt Norbert Schulze, Leiter des Eisleber Ordnungsamts. „Das signalisiert, dass die Leute vereinsamen.“
Nach Angaben der Hettstedter Stadtverwaltung musste das Ordnungsamt der Kupferstadt 2018 bei 15 Verstorbenen aktiv werden, sieben davon starben im Krankenhaus, drei in einem Pflegeheim und die anderen Zuhause.
In einigen der Fälle konnten im Nachhinein noch Angehörige ermittelt werden, bei anderen nicht. Da zahlte dann die Stadt die Beisetzung.
Überquellender Briefkasten
In Fällen, in denen Menschen versterben und kaum Kontakte haben, sind es zumeist die Anwohner, die sich irgendwann bei der Stadt melden, etwa weil der Briefkasten des Betreffenden immer voller wird, erläutert Eislebens Ordnungsamtschef Schulze.
Die Stadt öffne dann mit Feuerwehr oder Schlüsseldienst die Tür. Davor würde ermittelt, ob sich die Person vielleicht in einem Krankenhaus aufhält.
Auch Gabriele Berner, Geschäftsführerin der Wohnungsgesellschaft Hettstedt, meint, dass die Situation heute anders ist als früher. „Ich würde sagen, die Vereinsamung nimmt zu.“
Die Wohnungsgesellschaft hat in der Kupferstadt mehr als 1.630 Wohnungen. Vielerorts gebe es zwar noch gewachsene Mietergemeinschaften, wo der eine auf den anderen aufpasse, sagt Berner.
In jenen Hausteilen aber, in denen überwiegend neue Mieter seien, werde das weniger. „Man interessiert sich heute weniger für den Nachbarn als früher.“ Die Gesellschaft sei individualistischer. Auch bei dem Mietertreff seien es vor allem ältere Bewohner, die kämen.
Gemeinsame Ausflüge verhindern Einsamkeit
Wie aber lässt sich verhindern, dass Menschen im Alter einsam werden? Dass ihre Kontakte zurückgehen und ihr soziales Leben einschläft? Einer, der sich mit diesen Fragen beschäftigt, ist Wilfried Riß.
Der Vorsitzende des Stadtseniorenrats in Eisleben hat es sich zur Aufgabe gemacht, alles zu tun, damit Menschen nicht vereinsamen. Mit gemeinsamen und regelmäßigen Ausflügen über einen oder einen halben Tag versucht der Eisleber Stadtseniorenrat, einsame Menschen zu erreichen.
Bei diesen Ausflugsfahrten, von denen der Stadtseniorenrat übers Jahr eine ganze Reihe organisiert, sei Einsamkeit ein Thema, das sehr oft angesprochen werde, so Riß.
Das weiß man auch beim Kreisseniorenrat. „Früher hat man so etwas Tragisches nur im Fernsehen gesehen. Da war das weit weg. Nun ist es auch bei uns Realität geworden, dass Menschen an ihrem Lebensende so einsam sind, dass sie niemand vermisst“, sagt Karina Kaiser.
Die Vorsitzende des Kreisseniorenrats engagiert sich seit Jahren dafür, dass Menschen sich in den Seniorenräten in den Kommunen einbringen. „Auch das hilft gegen Einsamkeit“, findet sie.
Kaiser weiß allerdings, dass viele Menschen dazu gar nicht mehr in der Lage sind, dass sie nicht mehr so können wie früher.
„Ich finde den Fall einer betagten Frau auf dem Land sehr traurig, der mir geschildert wurde. Ihr einziger sozialer Kontakt ist die Podologin, die sie hin und wieder aufsucht“, sagt Kaiser. Und weiter: „Das ist eine traurige Entwicklung in unserer Gesellschaft, gegen die wir etwas unternehmen müssen.“ (mz)