1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Eisleben
  6. >
  7. Adventskalender: Adventskalender: Seeperle liegt auf dem Trockenen

Adventskalender Adventskalender: Seeperle liegt auf dem Trockenen

Von Sophie Elstner 18.12.2018, 10:00
Inhaber Jürgen Meinicke und seine Angestellte Anika Müller kümmern sich im Schiff um die Gäste.
Inhaber Jürgen Meinicke und seine Angestellte Anika Müller kümmern sich im Schiff um die Gäste. Jürgen Lukaschek

Seeburg - Schon von der Bundesstraße  80 ist sie sichtbar und strahlt mit ihrer weißen Farbe vom Ufer des Süßen Sees: die Seeperle, ehemals Raddampfer, heute ein Ausflugslokal in Seeburg.

Ungewöhnlich ist, dass das Schiff nicht im Wasser liegt, sondern auf dem Trockenen. Und wie es zu DDR-Zeiten dorthin gekommen ist, ist eine ganz besondere Geschichte.

Seeperle stammt aus Dresden

Dass auf dem Schiff einmal Gerichte mit Zander, Forelle oder Viktoriabarsch der Renner sein könnten, daran hätten die Schiffsbauer im Jahr 1892 wohl nicht gedacht.

Damals wurde die Seeperle, im Original ein Personenseitenraddampfer, in der Werft in Dresden-Blasewitz gebaut und auf den Namen „Graf Moltke“ getauft.

Der Dampfer fuhr auf der Oberelbe. Im Laufe der vergangenen knapp 130 Jahre bekam das Ausflugsschiff immer wieder neue Namen, so etwa „Lobositz“, „Königin Maria“ oder auch „Königstein“. Seit 1948 war es Bestandteil der Weißen Flotte Dresden.

Dampfer war schrottreif

So wechselhaft wie der Name ist auch die Geschichte des Dampfers. 1971 wurde die „Königstein“, so hieß er damals, stillgelegt und zum Verschrotten in die Schiffswerft nach Aken gebracht, berichtet Jürgen Meinicke, der heutige Inhaber.

„Der Vorsitzende der Konsumgesellschaft und der Parteisekretär kamen dann auf die Idee, daraus ein Restaurant zu machen.“

Demnach sollte Seeburg als Attraktion herausgehoben werden, man brauchte ein ausgefallenes Ausflugslokal.

Zunächst wurde in Aken der Schiffsmotor ausgebaut, von dem man sagt, er stünde noch heute im Verkehrsmuseum in Dresden. Der Transport von Aken nach Seeburg im Jahr 1972 gestaltete sich allerdings schwierig.

„Damals gab es die B 80 ja noch nicht“, sagt Meinicke. Der Schiffskörper wurde in Aken dreigeteilt und mit Tiefladern in Polizeibegleitung nach Seeburg gebracht.

Am Nordufer des Süßen Sees wurden die Teile dann auf einem Betonfundament abgesetzt und wieder zusammengeschweißt. „Das war schon eine ganz besondere Aktion“ weiß Meinicke. „Mehrere Betriebe waren dann am Zusammenbau beteiligt.“

Restaurant nach Stilllegung

1973 wurde dann das Schiff auf den Namen Seeperle getauft und das Restaurant eröffnet. Hinter der schweren, metallenen Tür versprüht die Inneneinrichtung noch heute nostalgisches Flair.

Die Decke ist ausgesprochen niedrig und mit Holz vertäfelt, ebenso wie die Wände. Durch die kleinen Fenster blickt man über die Terrasse und ein Stück Wiese direkt auf den Süßen See.

Der Gastraum, in dem etwa 45 Personen und ein großer vertäfelter Tresen Platz finden, ist dem Rumpf des Schiffes entsprechend schmal, aber sehr langgezogen. In der Bar finden 35 Gäste Platz, dazu gibt es auch noch das obere Deck und die Freiflächen. Insgesamt ist die Seeperle rund 54 Meter lang.

Seit 40 Jahren "Kapitän"

Jürgen Meinicke übernahm die Gaststätte 1978 und ist damit ziemlich genau seit 40 Jahren „Kapitän“ der Seeperle. Nach der Wende hatte er die Möglichkeit, das Schiffsrestaurant zu kaufen.

„Doch der Anfang war schwer, keiner wollte mehr Urlaub in Seeburg machen“, erinnert sich der Wirt. „Erstmal sind ja alle in den Westen gereist.“

Gemeinsam mit guten Kollegen habe er aber auch diese Zeit überstanden. „Nach der Wende ist in Seeburg richtig was passiert“, berichtet er. Vieles sei saniert worden, der Campingplatz ganz in der Nähe habe einen großen Schritt nach vorn getan.

Geschichte in Speisekarte verewigt

Wie Meinicke weiter berichtet, hatte er auch schon Gäste, die das Schiff in beiderlei Nutzung entdeckt haben. „Sie haben mir erzählt, dass sie früher mit dem Schiff eine Tour auf der Elbe gemacht hatten und nun unbedingt zum Essen herkommen wollten“, erinnert sich der Inhaber.

Teilen Sie Ihre Erinnerungen mit der MZ - entweder telefonisch unter 03475/61 46 10 oder per Mail an [email protected]

Viele würden nach der Geschichte der Seeperle fragen, weshalb sich der Wirt entschieden habe, sie in der Speisekarte zu verewigen. Andere wiederum klopfen an den Rumpf und fragen, ob das Schiff echt sei.

Die schwere Stahltür für immer zu schließen, daran denkt der 64-jährige Jürgen Meinicke noch lange nicht. „Wir haben viel Stammkundschaft, Stammtische, der Skatclub kommt“, erklärt er.

„Ich bin Gastwirt in dritter Generation, meinem Uropa gehörte einst die Kneipe in Wolferstedt.“ Und wenn Meinicke im Sommer auf der Schiffsterrasse mit Blick auf den Süßen See frühstücken kann, ist er sich sicher: Seine Seeperle steht „auf einem schönen Fleckchen Erde“.

Das nächste Türchen führt in die Gaststätte „Zum Mohr“ in Emseloh. (mz)

Maritim und weihnachtlich
Maritim und weihnachtlich
Jürgen Lukaschek
Ein großes Steuerrad
Ein großes Steuerrad
Jürgen Lukaschek
Die Schiffsglocke gehört dazu.
Die Schiffsglocke gehört dazu.
Jürgen Lukaschek