Zweiter Arbeitsmarkt Zweiter Arbeitsmarkt: Enttäuschung und Hoffnung in Dessau

Dessau - Die schlechte Nachricht flatterte am Dienstag ins Haus: Das Jobcenter Dessau-Roßlau kann nicht am ESF-Bundesprogramm „Soziale Teilhabe am Arbeitsmarkt“ teilnehmen, das ab dem 1. Januar 2016 als Beschäftigungsmöglichkeit auf dem zweiten Arbeitsmarkt aufgelegt wird.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hatte für das Programm, das Modellcharakter haben wird, einen Wettbewerb ausgerufen. Die Anzahl der teilnehmenden Jobcenter war von vornherein auf 100 begrenzt. Ein Konzept eingereicht haben bundesweit 265. „Ich war fest davon überzeugt, dass wir aufgrund der Strukturschwäche und wirtschaftlich schwierigen Lage in der Region ausgewählt werden“, sagt ein enttäuschter Jobcenterchef Jens Krause. 100 Plätze hatte die Dessau-Roßlauer Behörde beantragt. Es wären Arbeitsplätze auf dem zweiten Arbeitsmarkt gewesen, die über drei Jahre gefördert würden und die Alg II-Beziehern ab 35 Jahre zur Vergütung gestanden hätten. „Das Programm hätte ein wenig die Lücke zur 2013 ausgelaufenen Bürgerarbeit geschlossen“, so Jens Krause.
Daraus wird in Dessau-Roßlau nun nichts. Damit bleiben die Beschäftigungsmöglickeiten auf dem zweiten. Arbeitsmarkt vorerst auf die Ein-Euro-Jobber begrenzt. Etwa 250 Personen sind übers Jahr auf diese Weise in Beschäftigung und leisten vor allem in sozialen und kulturellen Vereinen Arbeit. Denn dort ist mit dem Wegfall von Bürgerarbeit und dem Programm „Aktiv zur Rente“ Ende 2014 die Personaldecke ausgedünnt. Viele Vereine hatten deshalb große Hoffnungen auf das Programm gesetzt.
Bleibt ein letzter kleiner Hoffnungsschimmer: Das Land Sachsen-Anhalt legt zum 1. Januar 2016 ein Beschäftigungsprogramm für langzeitarbeitslose Ältere (58+) auf. Die individuelle Beschäftigungszeit liegt zwischen einem und drei Jahren. Doch auch dieses Programm ist in Dessau-Roßlau noch nicht am Start. Denn die Vorbereitung, Trägerauswahl, Durchführung und Verwaltung soll in den Händen eines regionalen Arbeitskreises liegen, der in den Kommunen und Landkreisen zu bilden ist. Anhalt-Bitterfeld und Wittenberg haben das getan. Dessau-Roßlau bisher noch nicht. Was Jens Krause ärgert. „Ich habe den Sozialdezernenten seit März mehrfach darauf hingewiesen.“ Ohne das Gremium, bestehend aus Vertretern der Sozialpartner, der Kommune, des Jobcenters und der Gleichstellungsbeauftragten der Stadt, kann das Programm nicht durchgeführt werden.
„Die Zeit drängt“, mahnt Krause in Richtung Rathaus. Denn es seien in der Vorbereitung etliche strategische Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel zu Inhalten der Maßnahmen, der erwartete Bedarf ist zu beziffern. „Die Träger brauchen ja auch ein paar Wochen Zeit, Konzepte für die Maßnahmen zu erarbeiten.“ Und das Antragsverfahren im Land dauere auch. Angesichts des Arbeitsstandes bei Null befürchtet der Jobcenterchef, dass zum 1. Januar nicht gestartet werden kann. „Und wenn wir Pech haben und die Gelder nach dem Windhundprinzip verteilt werden, dann könnte es möglicherweise knapp werden und Dessau-Roßlau leer ausgehen.“
Der Regionale Arbeitskreis (RAK) werde Anfang September gegründet, verlautete auf MZ-Anfrage aus dem Rathaus. Die Bewerbungsgespräche für die Koordinatorenstellen des RAK sollen in der kommenden Woche laufen. „Besetzen wollen wir die Stelle so schnell wie möglich“, sagt Veronika Wendeborn, amtierende Sozialdezernentin. Um das Programm endgültig an den Start bringen zu können, gibt sie zu bedenken, fehle allerdings noch das Signal des Landes, wann und wie viele Finanzen zur Verfügung stehen.
„Das ist beruhigend für mich zu hören“, reagiert Jens Krause auf die Information aus der Stadtverwaltung. „Wenn das jetzt alles wie angekündigt läuft, ist das durchaus eine gute Zeitschiene.“ Allerdings rät er dem RAK, mit den strategischen Vorbereitungen unverzüglich zu beginnen, also Inhalte und Quantität festzulegen, Trägergespräche zu führen, so dass nach dem grünen Licht vom Land ohne Zeitverzug die Anträge gestellt werden können.