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Zur medizinischen Versorgung Zur medizinischen Versorgung: Hausarzt in Lotsenfunktion

Von Carla Hanus 11.03.2004, 15:59

Dessau/MZ. - Beim Orthopäden komme man nicht dran, beschweren sich Leser. Trotz Überweisung müsse man ewig warten.

Tatsächlich hieß es in vier von fünf Praxen am Telefon, dass derzeit erst für Mai oder Juni Termine vergeben würden. Lediglich bei einem Facharzt erklärte die Schwester, dass schon in der nächsten Woche bisher nicht angemeldete Patienten behandelt werden könnten.

Doch überall wird auch von einer Ausnahme gesprochen: Wenn es sich um einen Akutfall handelt, dann können die Patienten zur Behandlung in die laufende Sprechzeit kommen. Ob eine orthopädische Behandlung dringend nötig ist, das wiederum sollte der Hausarzt des Patienten erkennen und sich dann mit der Facharzt-Praxis in Verbindung setzen. "Der Hausarzt ist der Lotse", sagt Dr. René Lohse. Dieser müsse regulieren, das heißt entscheiden, ob dem Patienten eine normale Wartezeit zuzumuten ist, im Moment also etwa ein Vierteljahr, oder ob es sich um einen Notfall handele. Bei letzterem reiche ein Anruf des Hausarztes in seiner Praxis, um kurzfristig behandelt zu werden. Jeder Patient bekomme die medizinisch notwendige Behandlung, versichert er.

Das bestätigt auch Dr. Lutz Vogel. "Wir machen schon Vieles möglich", sagt er, "Kinder, zum Beispiel, kommen immer dran." Doch er sieht auch in Zukunft "bei der überdurchschnittlichen Arbeit, die meine Mitarbeiterinnen hier leisten" keine kürzeren Wartezeiten. Wie andere Ärzte ärgert sich Vogel über den erhöhten Verwaltungsaufwand, der durch die Gesundheitsreform noch angestiegen ist.

Selbst wenn das Schreiben einer Überweisung nur eine Minute in Anspruch nehmen würde, bei 100 Patienten seien das aber schon mehr als anderthalb Stunden, überschlägt Vogel. Und diese Zahl käme schnell zusammen.

Der Orthopäde denkt, dass Fachärzte nur entlastet werden könnten, wenn die Hausärzte stärker einbezogen würden. Bei bestimmten Diagnosen könnten diese durchaus selbst die Therapien anweisen, erklärt Vogel. Indes ist er sich da gleich eines neuen Problems bewusst: Es gibt zu wenige Hausärzte in Dessau. Hinzu komme, dass einige Patienten die Diagnose nicht akzeptieren wollen, ergänzt René Lohse. Die setzen sich dann ohne Überweisung in das Wartezimmer des Facharztes. Manche Patienten entwickeln ein regelrechtes "Ärztehopping", was die Praxisarbeit blockiert, dem Betreffenden lange und den anderen Patienten verlängerte Wartezeiten einbringt.

Zudem belastet es das Budget des Arztes. Dieser wirtschaftliche Aspekt ist aus Sicht des Patienten nicht unbedingt zu verstehen, für den Praxisbetrieb jedoch von Bedeutung. Die Krankenkassen geben den Finanzrahmen für eine bestimmte Anzahl von Patienten und einen festgelegten Umfang an Arzneimittelkosten fest. Behandelt der Arzt darüber hinaus weiter, hat er trotzdem die Kosten für Diagnose, zum Beispiel für Röntgenaufnahmen, zu tragen und kann gegebenenfalls wegen Überziehens seines Arzneimittelbudgets obendrein finanziell belangt werden.