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Wirtschaft in Dessau Wirtschaft in Dessau: Generationswechsel im Gerüstbau

Von Andreas Behling 10.02.2014, 21:50
Ulrich Malinowski mit seiner Tochter und Firmennachfolgerin Susann
Ulrich Malinowski mit seiner Tochter und Firmennachfolgerin Susann Andreas Behling Lizenz

dessau-rosslau/MZ - Ulrich Malinowski traf eine seiner letzten wichtigen Entscheidungen. Gemeinsam mit den Metallbauern hat er die Version der neuen Wetterfahne festgelegt, welche den Firmensitz der Industriegerüstbau GmbH krönen soll: Eine, die mit der Jahreszahl 1896 ausgestattet ist. Doch neben dem architektonischen i-Tüpfelchen auf der Fabrikanten-Villa an der Dessauer Weststraße hat sich an der Spitze des Unternehmens noch etwas geändert. Susann Malinowski hat die Geschäftsführung von ihrem Vater übernommen.

„In meinem einstigen Büro hat sie schon zuvor gesessen. Ich werde ja nun auch zum Angestellten“, schmunzelt der inzwischen 70-Jährige, der seinen Rückzug langfristig plante. Ab Mitte 2012 gingen etliche Gespräche dem Schritt voraus. Manche juristische Feinheit war zu beachten. Das eine oder andere Seminar zur Unternehmensnachfolge - Angebote der Handwerks- sowie der Industrie- und Handelskammer - stand im Terminkalender.

15-köpfige Stammbelegschaft

Wichtig war dem scheidenden Chef, das Unternehmen nicht zu zerpflücken. „Es bleibt in einer Hand!“ bekräftigt Ulrich Malinowski, der künftig die Rolle eines im Hintergrund agierenden Ansprechpartners ausfüllen möchte. Der Senior, der nach dem Abitur zunächst eine Maurerlehre und ein Bauingenieurstudium absolvierte, dann in einem DDR-Baukombinat verschiedene Ingenieurtätigkeiten ausübte, klingt durchaus erleichtert. „Der Zeitpunkt ist einfach ran, der nächsten Generation das Sagen zu überlassen.“

Sorgen um den Fortbestand der Industriegerüstbau GmbH muss er sich nicht machen. Seine 42 Jahre alte Tochter wird weiterhin auf die 15-köpfige Stammbelegschaft setzen. „Große Fluktuationen waren nie unser Stil. Außerdem stimmt einfach die Altersstruktur“, analysierte Ulrich Malinowski kurz vor seinem Schritt in die zweite Reihe. Außerdem konnte Susann Malinowski schon mehr als ein Dutzend Jahre den Kurs der Firma mitbestimmen.

Die gebürtige Brehnaerin, die bis 1997 in Halle Betriebswirtschaft studierte, stieß 1999 zu den Gerüstbauern, deren Areal an der Weststraße immerhin 11.000 Quadratmeter groß ist. „Der komplette kaufmännische Bereich hat bereits in ihrer Verantwortung gelegen. Das ist eine absolut geordnete Geschichte. Sie hat Bilanzen erstellt und ist in der Lage, unsere Steuererklärungen zu formulieren“, erzählt ihr Vater.

Tradition am Standort fortsetzen

Es grämt ihn keineswegs, wenn ihn mancher Mitarbeiter jetzt unumwunden wissen lässt, dass er mit seinem Anliegen nun doch „mal zur Chefin“ muss. Susann Malinowski will solche Bemerkungen nicht überbewerten. „Ich weiß noch nicht so richtig, wie ich mit meiner neuen Rolle, allein in der Verantwortung zu stehen, umgehen soll“, gibt die Diplom-Kauffrau zu.

Gleichwohl geht sie an die Aufgabe, die Tradition am Standort fortzusetzen, ohne Scheu heran. Dass den Kunden ein moderner, innovativer und sicherer Gerüstbau angeboten werden kann, fußt nämlich auf einer langen Geschichte. Die heutige GmbH sieht ihre Wurzeln in der Firma Franz Fromm, die in Dessau bereits 1910 Maler- und Gerüstarbeiten ausführte, und dem Dachdeckerbetrieb von Fritz Nauel, der sich ab 1925 in dem Metier profilierte. In der DDR folgten 1972 die Zwangsenteignung und - ab 1976 - die Bildung einer Gerüstabteilung im VEB Baukombinat BMK Chemie Bitterfeld/Dessau. Diese kam überwiegend in den großen Industriebetrieben und den Kraftwerken im heutigen südlichen Sachsen-Anhalt zum Einsatz.

Die Privatisierung im Sommer 1990 - „Bei der Entflechtung des Kombinats ist einem vieles um die Ohren geflogen“, so Ulrich Malinowski - war mit einer wesentlichen Erweiterung des Leistungsprofils verbunden. Private Bauherren, Unternehmen aus Handwerk und Gewerbe, Wohnungs- und Gesellschaftsbau sowie öffentliche Bauträger wurden als neue Kunden hinzugewonnen. Das war nicht einfach.

Alter Fuhrpark in Ausstellung

Der Fuhrpark hatte beim Start den aus der DDR gewohnten Standard: Ein paar Multicars, ein W 50. Transportmittel standen wenige zur Verfügung. Sie gehören - nebst der heute altertümlich anmutenden Büro- und Kommunikationstechnik - allerdings zur Firmenhistorie. Der langjährige Geschäftsführer („Meine einzige Sicherheit gegenüber den Banken für notwendige Millionenkredite waren damals das Eigenheim in Oranienbaum und meine fachliche Kompetenz.“) hat diese Relikte daher nicht dem Schrotthändler überlassen oder an Liebhaber verkauft, sondern in einer kleinen Ausstellung zusammengefasst.

„Das ist ein Stück Zeitgeschichte. Genau wie der Fakt, dass wir die Kredite aus sozialistischen Zeiten noch bis 2001 zurückgezahlt haben“, so Malinowski, der in den Marionetten, die an einer Stange vor seinem Schreibtisch hängen, Symbole für den Unternehmer sieht. „Die Banken und das Finanzamt verstehen es zuweilen schon sehr gut, steuernd einzugreifen“, begründet er.