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Vor einem Jahr Vor einem Jahr: Mit Amphicar Mulde getrotzt

14.08.2003, 17:34

Wahlsdorf/MZ. - Angelika Müller-Schwarz aus Wörpen-Wahlsdorf erinnern sich nachfolgend lebhaft an den August vergangenen Jahres und den Einsatz ihres Mannes Dietrich Müller:

Wie sicher in jedem Haushalt, war das Radioprogramm mit den ständig wechselnden Ansagen über die Pegelstände der Flüsse unser ständiger Begleiter.

Da wir im Besitz eines Amphicars (Schwimmauto) sind, übrigens das einzige "Wasserauto" dieser Art in Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, haben mein Mann und ich sofort beschlossen, auch unseren Beitrag zu leisten.

Nachdem wir unsere Hilfe der Bürgermeisterin Doris Berlin in Coswig angeboten hatten, aber man im Rathaus zu dieser Zeit noch nicht an derartige Auswirkungen des Hochwassers glaubte, boten wir die Hilfe beim Krisenstab des Landkreises an. Von dort wurden wir an den Krisenstab nach Magdeburg vermittelt. Telefonnummer und Anschrift wurden vermerkt, wir sollten benachrichtigt werden.

So hatten mein Mann und ich ständig ein Ohr am Telefon, das andere am Radio und die Augen am Bildschirm. Nach zwei Tagen warten und ständigen neuen Hiobsbotschaften aus den Medien hielt es mein Mann nicht mehr zu Hause aus, und er fuhr mit dem Auto aufs Geratewohl in Richtung Bitterfeld, um sich dort bei der Kriseneinsatzleitung einfach zu melden und seine Hilfe anzubieten.

Von dort wurde er nach Jeßnitz beordert. Zu diesem Zeitpunkt stand Jeßnitz schon völlig unter Wasser. Ihm beigeordnet wurde eine Feuerwehrfrau und später ein Feuerwehrmann, die sich dort wenigstens vor Ort auskannten, was ihm sehr geholfen hat. Das Auto kam an diesem Tag zweimal zum Einsatz und konnte zwei Ehepaare mit deren Haustieren auf schließlich trockenen Boden bringen. Dieser Einsatz war für meinen Mann auch eine besondere Erfahrung, da er sich ja nicht in Jeßnitz auskannte. Wo waren die Gärten mit ihren Zäunen? Wo der Kinderspielplatz? Alles in den Fluten versunken! Strohballen schwammen auf dem Fluss, die er mit dem Auto anfahren und beiseite drücken musste. Und dann die riesige Strömung der Mulde!

Gegen 15.30 Uhr bekam ich zu Hause einen Anruf von einer weiblichen Stimme, die mir mitteilte, wo mein Mann überhaupt war und dass er dort auch dringend gebraucht wurde. So war ich wenigstens beruhigt.

Gegen 19 Uhr stand dann das Auto samt meinem Mann wieder bei uns auf dem Hof. Es hatte seinen Dienst hervorragend erfüllt, allerdings hatte es einige Blessuren erlitten. Das war aber zu keiner Zeit ein Thema für uns, sondern ein Grund, unser Amphicar nun zu restaurieren und für einen weiteren Einsatz jeder Zeit wieder zur Verfügung zu stellen. Mein Mann und auch ich gehören zu einer Generation, die nur mit Hilfe fremder Menschen den Krieg und die Nachkriegszeit überhaupt überhaupt überleben konnten und auch wissen, was Not und Angst bedeutet.