Vergewaltigungsprozess in Dessau Vergewaltigungsprozess in Dessau: Urteil zwei Monate später - Wie alt ist Yonas M.?

Dessau - Nicht wie geplant am 31. Mai, sondern zwei Monate später wird das Landgericht Dessau das Urteil über vier junge Eritreer sprechen. Sie sind angeklagt, im Sommer vorigen Jahres eine Mittfünfzigerin in Dessau vergewaltigt zu haben.
Die Verzögerung erklärt sich nicht allein mit neuen Beweisanträgen eines Verteidigers - auch der ursprüngliche Zeitplan des Gerichts konnte als ambitioniert gelten. Um nächste Woche das Urteil zu sprechen, hätten am Mittwoch in nur fünf Stunden allein sechs Plädoyers gehalten werden müssen, zuvor wäre die Jugendgerichtshilfe gehört worden.
Prozess um Gruppenvergewaltigung: Besonders viele Fragen
Dass Marco Bennewitz als Verteidiger von Yonas M. mit neuen Beweisanträgen aufwarten würde, galt als ausgemacht. Er hatte besonders viele Fragen an die beiden Gutachter, die M.’s Alter bestimmen sollten. Für M. hängt einiges davon ab, für wie alt ihn das Gericht am Ende hält. Nach dem bisherigen Gutachten gilt er als „wahrscheinlich mindestens 22“ zum Tatzeitpunkt. Damit unterläge er zwangsläufig dem üblichen Strafrecht. Wäre er auch nur ein Jahr jünger, könnte das Gericht das mildere Jugendrecht anwenden, wenn es M. für nicht erwachsen genug hielte.
Ein Anhaltspunkt für die Altersbestimmung ist die Verknöcherung des Schlüsselbeins. Wenn die vollständig ist, müsse die betreffende Person mindestens 22 Jahre alt sein, heißt es in einer Referenzstudie. Laut Bennewitz aber seien aus dieser drei Fälle als statistische Ausreißer herausgenommen worden, in denen die Verknöcherung schon mit 19 und 20 vorlag. Dazu soll der Autor der Studie gehört werden.
Altersbestimmung anhand von DNA?: Amerikanischer Spezialist soll angehört werden
In einem zweiten Antrag verlangt Bennewitz, den amerikanischen Biostatistiker Steve Horvath zu hören. Dieser hatte nach einigen vorbereitenden Arbeiten 2014 im Alleingang eine Studie veröffentlicht, wie eine Altersbestimmung anhand der DNA möglich ist.
Ganz so einfach ist es allerdings nicht, auch wenn Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza schon gefordert hatte, die Methode einzusetzen, um das Alter von Flüchtlingen zu bestimmen. Denn dazu taugt die nach ihrem Entdecker benannte „Horvath-Uhr“ nur bedingt. Sie bestimmt Veränderungen, sogenannte Methylierungen, an den Genen einzelner Gewebe und Zellen und leitet daraus indirekt deren biologisches Alter ab, das zum Beispiel durch Umwelt, Ernährung, Krankheiten oder Stress beeinflusst wird.
Hier gilt die Methode als präzise, beim tatsächlichen Alter verbleiben indes Schwankungsbreiten von mehreren Jahren. Mit der „Horvath-Uhr“ gebe es also lediglich einen weiteren Anhaltspunkt, an dem sich das Gericht orientieren könnte. Eine entschiedene Antwort auf die Frage, ob M. höchstens 21 war, als er mit den anderen die Frau am Rande des Dessauer Zentrums vergewaltigte, wird die Kammer nicht erhalten.
Unabhängig davon, wie die Kammer sich zu den Anträgen stellen wird, kam am Mittwoch die Jugendgerichtshilfe zu Wort - was immer dann der Fall ist, wenn Angeklagte nach Jugendrecht verurteilt werden könnten. Das gilt zum Beispiel für Yonas A., der zur Tatzeit mit einiger Sicherheit 19 Jahre alt war. Ob seine Angaben stimmen, lässt sich nicht überprüfen, sie wirken aber nicht aufgebauscht. Für seine Glaubwürdigkeit spricht, dass er als erster ein umfassendes Geständnis abgelegt hat.
Angeklagter Yonas A.: Flucht über Sudan und Libyen
A. ist also nach seinen Angaben mit elf Geschwistern in Eritrea aufgewachsen. Die Schule habe er nach ein, zwei Monaten nicht mehr besucht, weil er wegen eines Sprachfehlers gehänselt wurde. Zwei Mal will er von Dschihadisten verschleppt worden sein und habe ihnen beide Male nach wenigen Stunden entkommen können. Schließlich habe er sich zur Flucht entschlossen, die über den Sudan nach Libyen führte. Schleuser hätten ihn gefangen genommen. „Die haben uns geschlagen und wie Tiere behandelt. Es war schrecklich.“ Irgendwer finanziert die Überfahrt nach Italien, von wo aus er offiziell nach Deutschland weiterreist und über Halberstadt und Magdeburg nach Dessau-Roßlau kommt.
Es vergeht kein Monat dann ist A. an einem Verbrechen beteiligt. Warum er dabei war, kann er nicht sagen. Nur dass es sich sehr schäme.
(mz)
