1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Dessau-Roßlau
  6. >
  7. Schauspieler als Hobby-Tischler: Vandalismus an Jagdbrücke-Bank in Dessau: Karl Thiele hadert mit unbekannten Tätern - und gibt nicht auf

Schauspieler als Hobby-Tischler Vandalismus an Jagdbrücke-Bank in Dessau: Karl Thiele hadert mit unbekannten Tätern - und gibt nicht auf

Wer mit penetranter Beharrlichkeit immer wieder die Bank am Fürst Franz-Weg in Dessau attackiert, bleibt unbekannt. Doch ein Dessauer repariert sie Mal für Mal. Nun hat er sich zu erkennen gegeben.

Von Silvia Bürkmann 11.08.2024, 12:00
Karl Thiele an "seiner" Bank an der Dessauer Jagdbrücke.
Karl Thiele an "seiner" Bank an der Dessauer Jagdbrücke. Foto: Thomas Ruttke

Dessau/MZ. - Vor gut fünf Jahren hat er sie adoptiert. Als einen Pflegefall schwerer Art, wie sich bald herausstellte. Karl Thiele, namhafter Schauspieler am Dessauer Theater, nahm ab 2019 die Holzbank an der Jagdbrücke am westlichen Muldufer unter die Fittiche.

Dieses Sitzmöbel am Rande des Europaradweges R1 oder vom Fürst-Franz-Weg der Gartenreichtour ist auf den ersten Blick schlicht und zweckmäßig. Ganz ohne Firlefanz, dafür gemacht, Wanderern auf Schusters Rappen oder Radfahrern einen Zwischenstopp zu ermöglichen. Mit entspanntem Blick auf die leise dahinplätschernde Mulde mit einem wieder stattlichen Fischbesatz.

Blickfang und Knotenpunkt

Bei aller Schlichtheit aber hat diese Bank aus stabilem Eichenholz eine Geschichte. Für Dessauer der älteren Generation sogar einen Namen als Siegfried-Bank. 2007 kam sie als Geschenk der Familie Siegfried in deren Heimatstadt.

Der studierte Jurist Franz Siegfried - geboren und gestorben in Dessau (1922-2017) - war von 1990 bis 1994 Rechtsdezernent und Bürgermeister seiner Heimatstadt. Das Ehepaar hatte anlässlich seiner 80. Geburtstage die Gäste statt Blumen und Geschenke um Spenden gebeten für ein Geschenk an Dessau. Aus diesem Topf stammten die Mittel für die Anschaffung der Bank an einem ebenso frequentierten wie malerischen Ort in Dessau. Franz Siegfried und Ehefrau Erdmute (verstorben 2011) waren bei der Einweihung 2007 dabei.

Die überdachte Jagdbrücke ist 82 Meter lang, 3,90 Meter breit, an den Ausbuchtungen für zwei Plattformen sogar sechs Meter weit. Gebaut wurde der echte Blickfang 1993 als Knoten von Rad- und Wanderwegen. Ob Mulde- oder Elberadweg, Europaradweg R1 oder Gartenreichtour, alle führen über die Jagdbrücke. Und die Bank findet regelmäßig dankbare Nutzer.

Doch immer wieder auch mutwillige Angreifer und Zerstörer. Um den Jahreswechsel 2017/18 herum wurde die beliebte Siegfried-Bank aus ihren Halterungen gerissen und gestohlen. Die unbekannten Täter wurden nicht gefasst. Um adäquaten Ersatz ersuchten sowohl Matthias Siegfried als Sohn des Spenderpaares als auch Stimmen aus der Dessauer Bevölkerung die hiesige Stadtverwaltung. Und trotz knapper Kassen war es ein Jahr später geschafft: Ab Februar 2019 stand wieder eine baugleiche Holzbank an der ursprünglichen Stelle.

Zuletzt wurden erneut zwei Leisten der Rückenlehne zerstört.
Zuletzt wurden erneut zwei Leisten der Rückenlehne zerstört.
Foto: Thiele

Aber auch die Störenfriede ließen nicht lange auf sich warten und kühlten bald wieder ihr Mütchen an der Bank. Im Frühjahr 2019 hatte Karl Thiele bei einem seiner Lieblingsspaziergänge erste Schäden entdeckt. Einer Messerschnitzerei an der Armlehne folgten massive Angriffe auf die Sprossen der Rückenlehne. Insgesamt 20 Holzleisten ermöglichen bequemen Sitz und Stützhalt auf der etwa 1,80 Meter langen Bank.

Jetzt wurden die Leisten eine nach der anderen herausgebrochen oder per Fuß herausgetreten. „So etwas ärgert mich maßlos“, grollt der 76-Jährige mit „hirnlosen Zerstörern“. Und nahm sich der Bank an. Holte Leisten aus dem Baumarkt, fand selbst noch Nützliches in der eigenen Werkstatt oder bei Freunden und Bekannten. Karl Thiele reparierte. Mehr als einmal.

Über Jahre immer wieder repariert

„Weil unsere Stadt schon genug Schmutzecken hat.“ Der stille Helfer ersetzte bisher sieben Leisten. Am Dienstag bekam die Bank überdies einen neuen Anstrich. Das passe. Schließlich hat der Füst und „Vater Franz“ ja am Sonntag Geburtstag. Was ihn antreibt? Erst Schulterzucken. Dann bühnenreif: „Es gibt Idioten, die alles kaputtmachen. Und Idioten, die es reparieren.“

In November/Dezember will der Hobby-Tischler seiner eigentlichen Profession und Berufung, der Schauspielerei, aber auch wieder nachgehen. Dann gibt Thiele im Alten Theater Dessau erneut Heinrich Heines „Deutschland. Ein Wintermärchen“.