Undichte Stelle bei Polizei vermutet Undichte Stelle bei Polizei vermutet: Wurde Dessauer Drogen-Größe vor Razzien gewarnt?

Dessau - Drogendealer in Dessau-Roßlau sind möglicherweise vor geplanten Polizeiaktionen gewarnt worden. „Irgendwas muss bei uns rausgehen“, sagte gestern ein Kripobeamter vor dem Dessauer Landgericht im Prozess gegen Stephan H. aus. Dieser gilt als eine zentrale Figur im örtlichen Drogenhandel. „Er hat die größeren Geschäfte geleitet und organisiert“, sagte der Ermittler bei seiner gestrigen Vernehmung vorm Landgericht Dessau.
Es sei mehrfach vorgekommen, dass H. seine Tätigkeiten immer dann verschoben habe, wenn ein Polizeieinsatz geplant war - oft nur eine halbe Stunde nach vorn verschoben, vor den Beginn des Einsatzes. Oder eine halbe Stunde nach hinten, dann waren die Maßnahmen schon beendet.
Dass den Beamten bei den Durchsuchungen von insgesamt 14 Objekten „eine große Menge Drogen durch die Lappen gegangen sind“, so der Polizist, hat wohl weniger mit illegalen Informationsabflüssen zu tun, sondern mit dem Umstand, dass zu wenige Polizeibeamte verfügbar waren – die Razzien fanden verteilt über zwei Tage statt. Bei H. selbst wurde lediglich eine sehr geringe Menge Marihuana entdeckt – weil er selbst kaum konsumierte und mit dem Stoff, den er kiloweise organisierte, nicht unmittelbar in Kontakt kommen wollte.
Ermittler nennt schätzungsweise 30 Personen mit unterschiedlichen Aufgaben in H. Drogengeschäften
Den Stoff zu verstecken oder in handliche Mengen zu portionieren, war Aufgabe von mehreren Handlangern. Als ein Erddepot mit 5.000 Ectasy-Pillen eines Gehilfen leer geräumt wird, wird ihm Ärger angedroht.
Im wesentlichen aber, so der Eindruck, gingen die Geschäfte mehr oder minder reibungs- und lautlos über die Bühne. Dabei waren in sie viele Leute involviert - der Ermittler nennt schätzungsweise 30 Personen mit ganz unterschiedlichen Aufgaben, die meisten davon sind Dessauer, und ausnahmslos alle tragen deutsche Namen.
Auf H. wurden die Ermittler aufmerksam, als sie die Telefongespräche einer anderer Person aus der Szene (Spitzname: „Malermeister“) überwachten. „Es war klar“, so der Ermittler, „da laufen Geschäfte.“ Welcher Art, konnten die Ermittler nur ahnen. Am Telefon wurde äußerst vorsichtig gesprochen. Es wurden Messengerdienste wie Telegram und Signal benutzt, auf die die Polizei keinen Zugriff hat.
Eine direkte Übergabe von Drogen und/oder Geld scheint nie beobachtet worden zu sein
Als H. selbst und ein Roßlauer, ein laut Ermittler etwas rangniederer Dealer, auf die Liste der Verdächtigen kamen, wurden nicht mehr nur deren Telefonate abgehört, sie wurden auch observiert. Der Erkenntnisgewinn dieser Überwachungsmaßnahmen bleibt dabei recht überschaubar: Eine direkte Übergabe von Drogen und/oder Geld scheint jedenfalls nie beobachtet worden zu sein.
Was mit dem Gewinn aus den Geschäften passierte, ist nicht klar. Auch wenn H. nach eigenen Aussagen seine Gewinne mit dem in Potsdam lebenden Auftraggeber teilen musste, dürfte doch angesichts der schieren Mengen an verkauften Drogen einiges Geld bei ihm hängen geblieben sein. „Wir haben“, sagt der Kripomann, „aber keinen Wohlstand festgestellt.“ Möglicherweise hat H. das Geld klüger angelegt. „Es gab Gespräche, dass er sich in fünf Jahren aus dem Geschäft zurückziehen wolle.“
Der Prozess wird am Donnerstag fortgeführt. (mz)