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Fall Oury Jalloh Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh: Wollten Dessauer Polizisten weitere Todesfälle vertuschen?

Von Hagen Eichler und Jan Schumann 07.12.2017, 05:00
Blick in einen Raum der Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde, in dem zuvor eine Brandanalyse für die Ermittlungen im Fall Oury Yalloh durchgeführt wurde.
Blick in einen Raum der Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde, in dem zuvor eine Brandanalyse für die Ermittlungen im Fall Oury Yalloh durchgeführt wurde. dpa-Zentralbild

Halle (Saale) - Im Umgang mit dem unaufgeklärten Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh vor fast 13 Jahren sieht sich die linke Opposition im Landtag hinters Licht geführt.

Der Anlass: Mitte November hatte Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad im Rechtsausschuss erklärt, warum Jallohs Tod nicht länger untersucht wird. Gutachter hätten die These von der Selbstverbrennung des Mannes weder belegen noch ausschließen können, berichtete Konrad den Abgeordneten damals.

Tod des Asylbewerbers Oury Jalloh: Oberstaatsanwalt hält ein Verbrechen für am wahrscheinlichsten

Was er nicht sagte: Der Leitende Oberstaatsanwalt von Dessau-Roßlau, Folker Bittmann, hält ein Verbrechen für am wahrscheinlichsten. „Dieser Widerspruch in den Aussagen lässt sich anders als durch Täuschung nicht erklären“, sagt die Linken-Abgeordnete Henriette Quade nun.

„Wir wollen wissen, ob es dafür eine Weisung gegeben hat.“ Das Justizministerium weist das auf MZ-Anfrage zurück: Im Fall Jalloh habe es keinerlei Einfluss ausgeübt.

Bittmanns am 4. April verfasster Vermerk, der der MZ vorliegt, gibt dem Fall eine spektakuläre Wendung. Er verwirft die Unfall-These, nach der sich Jalloh im Alkoholrausch selbst verbrannt hat. Der gefesselte und nahezu handlungsunfähige Mann soll vielmehr in seinen letzten Atemzügen mit einer kleinen Menge Brandbeschleuniger übergossen und angezündet worden sein.

Wurde Oury Jalloh von Polizisten getötet - um weitere Fälle zu vertuschen?

Der Staatsanwalt  leitete mit seinem Papier zugleich ein Ermittlungsverfahren ein. Sein konkreter Verdacht: ein Tötungsdelikt, begangen von Polizisten. Bittmann stützt sich dabei auf mehrere Gutachter und einen 2016 unternommenen Brandversuch.

Sein Vermerk erörtert zugleich ein mögliches Motiv: Es soll um Vertuschung gegangen sein. Plausibel sei ein Zusammenhang mit zwei früheren Todesfällen um die Polizeistation Dessau, heißt es.

1997 war ein Mann nach einem Polizeigewahrsam an schweren inneren Verletzungen gestorben.

2002 kam in der gleichen Zelle wie später Jalloh ein  Obdachloser ums Leben. In beiden Fällen hatte es auch Ermittlungen gegen Polizeibeamte gegeben.

Bittmanns Vermutung: Jalloh, der im Gesicht verletzt war und in der Zelle nicht ordnungsgemäß ärztlich versorgt wurde, sei bei einer Zellenkontrolle ohnmächtig aufgefunden worden.

Den Beamten sei klargeworden, „dass schwere Verletzungen oder gar das Versterben eines weiteren Häftlings neuerliche Untersuchungen auslösen würden“. Diese Sorge „mag zu dem Entschluss geführt haben, mit der Brandlegung alle Spuren zu verwischen“.

Vermerke zu weiteren Tatverdächtigen geschwärzt

Bittmanns Vermerk enthält auch Aussagen zu Tatverdächtigen. Diese sind jedoch in der der MZ vorliegenden Fassung geschwärzt.

Zu praktischen Ermittlungsschritten gegen Polizeibeamte kam es nicht, weil die Staatsanwaltschaft Dessau-Roßlau das Verfahren im Mai durch Entscheidung von Generalstaatsanwalt Konrad nach Halle abgeben musste. Dort wurde es eingestellt – die dortige Staatsanwaltschaft sah keinen hinreichenden Tatverdacht.

Über die Hintergründe wird sich der Landtag nun ein eigenes Bild machen. Am Freitag kommt der Rechtsausschuss erneut zusammen. Zudem wird das Justizministerium die Akten zur Verfügung stellen.

Ursprünglich hatte Ministerin Anne-Marie Keding (CDU) einen Landtagsbeschluss dazu als nicht ausreichend angesehen. (mz)