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Stinkende Fußböden Stinkende Fußböden: Dessau-Roßlau geht vor Gericht in Berufung

Von Sylke Kaufhold 07.04.2017, 08:21
Die Zoberbergschule
Die Zoberbergschule Sebastian

Dessau - Gestank kann teuer werden. Ob für die Stadt Dessau-Roßlau oder die von ihr verklagte Fußbodenfirma, das müssen die Gerichte klären. Unter Umständen könnte das sogar der Bundesgerichtshof sein.

„Inzwischen reden wir über eine Million Euro, die die Stadt erhält, wenn sie gewinnt“, sagt Klaus Bekierz, Leiter des Zentralen Gebäudemanagements. 713.000 Euro fordert Dessau-Roßlau als Schadensersatz, der Rest sind Zinsen und Zinseszinsen.

Das Landgericht Dessau muss sich ein zweites Mal mit den Fällen der Geruchsbelästigung nach den Sanierungen der Zoberbergschule, des Sport- und Kurshauses des Philanthropinums und des Alten Theaters ab 2009 beschäftigen. Das erste Urteil, für das es sieben Jahre brauchte, wurde 2016 vom Oberlandesgericht aufgehoben.

Eigenschuld: Die Stadt hatte den Fußboden selbst ausgesucht

Das hatte die Klage der Stadt in allen drei Fällen abgewiesen. Das Gericht sah eine Eigenschuld der Stadt, weil der Fußbodenbelag von ihr ausgesucht worden war. Damit habe die Stadt keinen Anspruch gegenüber dem Unternehmen. „Die Firma hat ja auch keinen Fehler gemacht“, erörtert Bekierz, der sie laut Rechtslage aber dennoch in der Verantwortung sieht. Weshalb die Stadt in Berufung gegangen ist.

Eröffnet wurden am Landgericht zum Thema zwei Verfahren. Denn der Fußbodenbelag war zwar in allen Gebäuden derselbe, wurde aber von zwei unterschiedlichen Firmen verlegt. Das erste Verfahren beschäftigte sich mit den Fällen Zoberbergschule und Altes Theater, das zweite mit dem Sport- und Kurshaus des Gymnasiums.

Schadensersatz macht die Stadt für die Zoberbergschule (650.000 Euro) und das Alte Theater (50.000 Euro) geltend, wo der Fußboden ausgetauscht worden ist.

Es gibt keine Grenzwerte für Geruchsbelästigung

Das Oberlandesgericht Naumburg hatte der Berufung Dessau-Roßlaus stattgegeben und die Urteile aufgehoben. „Es sieht die Verantwortung bei den Verlegefirmen“, so Bekierz. Was bedeutet, dass das Landgericht Dessau nun erneut verhandeln muss. Zu klären sei jetzt noch die Frage, ob Geruch ein juristischer Mangel ist. „Das kann kein Gutachten aussagen, da es keine Grenzwerte für Geruchsbelästigung gibt.“

Wird der Mangel anerkannt, dann kann die Stadt Schadensersatzansprüche stellen. Sollte einer der Beteiligten gegen das nächste Urteil des Landgerichts vorgehen, dann werde eine Revision vor dem Bundesgerichtshof wohl zugelassen werden, vermutet Bekierz. Und da es sich durchaus um eine Frage von überregionaler Bedeutung handelt, hält der Leiter des Zentralen Gebäudemanagements einen Prozess vor der höchsten deutschen Gerichtsbarkeit für wahrscheinlich.

Schüler und Lehrer hatten über Kopfschmerzen und Übelkeit geklagt

Das alles kann aber wieder einige Jahre dauern. Die damalige Befürchtung der Stadt, dass ein langer Rechtsstreit folgen könnte, hat sich also voll und ganz bestätigt.

Im Februar 2009, kurz nach der Wiedereröffnung der Ganztagsschule am Zoberberg, hatten Schüler und Lehrer über Kopfschmerzen und Übelkeit aufgrund eines starken Geruches geklagt. „Der Geruch war so stark“, erinnert sich Klaus Bekierz, „dass er sich in der Kleidung der Lehrer und Schüler festgesetzt hatte, und auch diese stank.“ Nachdem intensives Lüften der Räume keine Besserung brachte, entschloss sich die Stadt, den Fußboden auszutauschen. In mehr als 40 Räumen der Schule wurde der Fußbodenbelag samt Estrich entfernt. Auch im Alten Theater wurde der Boden getauscht.

Inhaltsstoffe im Fußboden gesundheitlich bedenklich

Gutachter bestätigten später, dass die Ursache des Gestanks im Belag lag. Im Alten Theater und im Philanthropinum war der gleiche Belag verwendet worden.

Dieser PVC-Boden war schon 2003 in einer Studie der Bundesanstalt für Materialprüfung durch seine Phenol- und Kresolausdünstungen aufgefallen. Die gutachterliche Untersuchung des am Zoberberg verlegten Belages bestätigte hohe Werte weit über den seit 2010 gültigen Grenzwerten. Ab einer gewissen Konzentration gelten Phenole und Kresole als gesundheitlich bedenklich. (mz)