Sternengucker und geduldiges Papier
Dessau/MZ. - Auf 29 Tafeln werden unter anderem die Weltsysteme von Ptolemäus, Kopernikus und Tycho Brahe erklärt. Am Rande staunt der Sternengucker, und auch die Frau bleibt nicht nur nacktes Ornament am illustren Firmament.
Der Himmelsatlas, "Harmonia Macrocosmica", von Andreas Cellarius zählt zu den Perlen der Ausstellung "Faszination Pergament und Papier" der Wissenschaftlichen Bibliothek der Anhaltischen Landesbücherei in Kooperation mit dem Museum für Stadtgeschichte im Johannbau. Etwa 60 000 Bücher gehören trotz der enormen Kriegsverluste zum historischen Bestand der Bibliothek. Den Grundstock der 1922 gegründeten Landesbücherei bildete die "Herzoglich Anhaltische Behördenbibliothek". 1924 kamen die "Herzogliche Hofbibliothek", 1927 die "Georgsbibliothek" hinzu. Der Bestand speist sich auch aus den Nachlässen von Friedrich Schneider, Wilhelm Müller, Friedrich Matthisson und anderen.
Einige Zeit musste man auf eine Ausstellung dieser Größenordnung warten. Nun hat die Arbeitsgemeinschaft "Sachsen-Anhalt und das 18. Jahrhundert" das Jahr 2007 unter das Thema "Lesewelten - Historische Bibliotheken" gestellt. Schon im Oktober wird es einen weiteren Höhepunkt anlässlich des 500. Geburtstages des Reformfürsten Georg III. geben. Dann werden zwei der drei nach dem Krieg wieder aufgefundenen Bände der Cranach-Bibel gezeigt.
"Mehr als das Blei in der Flinte hat das Blei im Setzkasten die Welt verändert", sagte Christoph Lichtenberg. Zitiert hat ihn Gabriele Schneider zur Eröffnung der Ausstellung am Dienstag. Die Direktorin der Landesbücherei führte stellvertretend für die erkrankte Kuratorin Martine Kreißler in die Ausstellung ein und durch die Geschichte: Vom Holzschnitt zum Kupferstich, vom Pergament zum Papier, das seit der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts das Material preiswerter machte. Und von der Handschrift zum Buchdruck mit beweglichen Lettern, welche die Bildung demokratisierten.
Die Bücher der Ausstellung sind thematisch geordnet: Bibeln, Reiseliteratur, Pflanzenbücher usw. Dem prunkvollen Einband eines Evangeliars aus dem 12. Jahrhundert blieben einige Edelsteine erhalten. Kostbar und köstlich auch ohne Edelstein ist die "Köthener Historienbibel", die den Text volksnah illustriert. Historienbibeln führten in der Regel den gekürzten Text der Vulgata neben apokryphen Texten, Kommentaren und weltlichen Chroniken.
Gezeigt werden ferner eine von Hans Lufft 1541 in Wittenberg gedruckte Lutherbibel, die für die Antikenrezeption wichtigen Schriften des römischen Baumeister Vi truvius oder die "Topographia Germaniae", ein Prachtwerk des Kupferstechers Matthaeus Merian d. Ä. Die Zeit der großen Wissenssammlung illustriert die zwischen 1773 und 1858 erschienene "Oeconomische Encyclopaedie" mit ca. 169 400 Seiten. Band 110 liegt aus. Wenn das Format handlicher wird, rückt die Zeit näher. Die Klassiker und deren Verleger Joachim Göschen, Johann Friedrich Cotta oder Johann Friedrich Unger treffen sich in einer Vitrine und vieles mehr in anderen. Schade, dass man nicht blättern kann.
Die Ausstellung im Museum für Stadtgeschichte (Johannbau) ist bis zum 3. Juni zu sehen. Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 17 Uhr.