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Stadtumbau Stadtumbau: Nachbarn für die Kartoffeln

Von Heidi Thiemann 17.04.2015, 19:09
Heike Brückner (vorn) stellt den Neulandgewinnern das Dessauer Projekt im Stadtumbaugebiet „Am Leipziger Tor“ vor.
Heike Brückner (vorn) stellt den Neulandgewinnern das Dessauer Projekt im Stadtumbaugebiet „Am Leipziger Tor“ vor. Lutz Sebastian Lizenz

Dessau - Der blaue Schwede bekommt illustre Nachbarschaft: Himbeeren aus der Prignitz und Erdbeeren aus Altreetz in Brandenburg, Brotmohn aus Gatschow und Stachelbeere aus Wangelin in Mecklenburg-Vorpommern, Petersilie und Sonnenblumen aus Sachsen, Spinat aus Stuttgart und Pfefferminze aus Berlin. Auf der „Urbanen Farm“ im Dessauer Stadtumbaugebiet „Am Leipziger Tor“ ist ein neues Versuchsfeld angelegt und bepflanzt worden. Von Neulandgewinnern.

Neulandgewinner sind 17 Projekte aus den neuen Bundesländern, die von der Robert-Bosch-Stiftung aus Stuttgart gefördert werden. Die „Urbane Farm“ in Dessau gehört dazu, weshalb Heike Brückner vom Bauhaus sich freute, die vielen Mitstreiter der anderen Projekte zum Netzwerktreffen in der Bauhausstadt nicht nur begrüßen zu können, sondern sie auch vom Dessauer Projekt begeistern konnte - in dem sie alle etwas Typisches aus ihrer Heimatregion in den Boden brachten.

„Neulandgewinner. Zukunft vor Ort erfinden“ heißt ein Förderprogramm der Robert-Bosch-Stiftung, das in den fünf neuen Bundesländern den Strukturwandel in schrumpfenden Regionen begleitet und Menschen und Initiativen fördert, die im Wandel Chancen auf Veränderung sehen, die Ideen entwickeln, die unkonventionelle Wege ausprobieren und vielleicht auch Vorbild für andere werden wollen. In der ersten Förderperiode 2013 bis 15 sind 20 Projekte von der Robert-Bosch-Stiftung begleitet worden, in der zweiten bis 2017 sind es 17.

Die Stiftung Bauhaus Dessau konnte die Jury auch in der zweiten Förderperiode überzeugen mit ihrem Projekt „Die neue Stadtlandschaft produktiv machen: ein Quartiershof für den Dessauer Stadtteil am Leipziger Tor“.

Informationen zu den Neulandgewinner n im Internet unter www.bosch-stiftung.de

Neuland gewinnen, zeigte Brückner den Teilnehmern des Netzwerktreffens, darum geht es im wahrsten Sinne des Wortes auf der „Urbanen Farm“. Auf Plänen zeigt sie, wo überall vor ein paar Jahren noch im Stadtumbaugebiet Wohnblöcke standen. Die sind abgerissen, ein innerstädtischer Landschaftszug entstand. Magerrasen und Blumenwiesen wurden angesät. Über deren Pflegezustand die Bewohner nicht eben glücklich waren. „Wir versuchen, die städtische Landschaft produktiv zu machen“, lädt Brückner die Netzwerkpartner ein, nicht nur das bisher Geschaffene in Augenschein zu nehmen, sondern auch selber zu Schaufel und Gießkanne zu greifen.

Dass das Gebiet langsam durch die „Urbane Farm“ sein Gesicht wandelt - nicht nur an drei mit Erde aufgeschütteten Feldern an der Törtener Straße lässt sich das ablesen. Hier wurden im vergangenen Jahr erstmals Kartoffeln - die blauen Schweden - angebaut, geerntet und bei einem Fest mit Anwohnern und Helfern verzehrt. Auch Salat und Spinat wachsen, in diesem Jahr soll noch ein Blumenbeet - auf Wunsch der DWG, der die Flächen gehören - dazukommen. Mit dem neuen Versuchsfeld hat die „Urbane Farm“ sich nun ein neues Areal im Gebiet erschlossen - auf der anderen Straßenseite Richtung Ackerstraße.

Sichtbares Zeichen der Veränderung ist auch rund um „Haus Anneliese“ der Volkssolidarität 92 die Streuobstwiese. Am Frauenzentrum in der Törtener Straße wiederum hat Jan Zimmermann (Firma Flori-Jan) mit Interessierten Hochbeete gebaut - aus Weidengeflecht. Das Material stammt von Kopfweiden in Dessau, die zuvor geschnitten worden sind. All diese Angebote - Weidenflechten, Hochbeetebau und vieles mehr, sagt Brückner, fließen in einen Bildungskatalog ein. Denn an den Gartenorten soll Bildung vermittelt werden.

Für Gudrun Kiener von der Robert-Bosch-Stiftung „ist es total schön zu sehen, was hier passiert“. Sie sei überzeugt, sagte sie im Gespräch mit der MZ, „dass hier echte Visionen dahinterstehen. Der Ort, das Umfeld verändern sich. Die Frage ist, wie kann man so etwas mittel- und langfristig entwickeln?“ Eine Frage, die nicht nur für Dessau-Roßlau relevant ist, sondern auch in allen anderen Regionen, die von Schrumpfung betroffen sind.

Was für Kiener an der „Urbanen Farm“ ebenfalls bemerkenswert ist, dass diese recht schnell relevante Partner gefunden hat. Unternehmen, aber auch Anwohner, die hier mit anpacken. Der 13-jährige Fabian gehört dazu. „Mir macht das Spaß“, sagt er, dass er aus Neugier dazugestoßen ist. Denn jeden Mittwoch trifft sich hier die Gärtnergruppe. Das nächste Mal am 22.April. Mitmachen erwünscht! (mz)

Der 13-jährige Fabian ist bei der „Urbanen Farm“ mit im Geschehen.
Der 13-jährige Fabian ist bei der „Urbanen Farm“ mit im Geschehen.
Lutz Sebastian Lizenz
Gärtnern macht Spaß: Neulandgewinner beteiligen sich am Pflanzprojekt.
Gärtnern macht Spaß: Neulandgewinner beteiligen sich am Pflanzprojekt.
Lutz Sebastian Lizenz