Stadtplanung an der TU Berlin Stadtplanung an der TU Berlin: Füllungen für den Leerraum
Dessau/MZ. - Die Studentin gehört zum "Culture Club" an der TU Berlin, Fachbereich Landschaftsarchitektur, der ausschließlich Frauen vorbehalten scheint. Gemeinsam haben sich die Studentinnen aufgemacht, Dessau zu erkunden. Eine Stadt, wie Kathrin Wieck, wissenschaftliche Mitarbeiterin formuliert, die ein prägnantes Beispiel sei für schrumpfende Städte. Allerdings: den optimistischen Blick habe man sich bewahren wollen. Und zugleich ein Methode angewendet, die Unsicherheiten und Schwierigkeiten einschloss: das forschende Lernen. Thema: "Strategische Interventionen in städtebaulichen Fugen".
Diese Fugen werden immer größer und schaffen so Raum für Kulturlandschaft, die die Berliner begrifflich nicht mehr so scharf getrennt wissen wollen von städtischen Strukturen einerseits, ländlichen andererseits, Strukturen, die sich überlagern, vermischen, auch und gerade, wenn sich die Stadt zurückzieht.
Was bei der Präsentation in der TU am meisten verblüffte: der eher zurückhaltende Umgang mit dem Thema Schrumpfung. Radikale Lösungen? Gab es nicht. Eher Versuche, auf radikale Entwicklungen behutsam zu reagieren. So reizvoll das ist - das Risiko, von Tatsachen dabei überrollt zu werden, ist groß. Der Abriss geht inzwischen schneller als die Neugestaltung, Billigsupermärkte füllen Lücken. Den Planern bleibt das Nachsehen. Und auch den Bewohnern.
Sie einzubinden haben Eva Dieterich und Johanna Häger in ihrer Arbeit versucht, die mit klassischem Planungsverständnis wenig gemein hat. Das Areal um den großen Wasserturm - hier Wohngebiet, dort Industriebrache - haben sie sich vorgenommen, dort mit Anwohnern geredet und daraus die Idee einer Zeitreise entwickelt, in deren Verlauf die Bewohner selbst aktiv werden, die Brache in Beschlag nehmen, umnutzen, reaktivieren mit Selbsthilfewerkstätten und Tauschbörse. "Das moderieren wir dann."
Sophie von Schwerin will es Maschinen überlassen, die leerer werdenden Flächen zu beleben. In Süd, schlägt sie vor, sollten drei Automaten aufgestellt werden, die Kaffee ausschenken, Hörspiele abspielen, Sportgeräte verleihen, um den Bewohnern neue Treffpunkte zu bieten. Die Runde wirkt skeptisch: Das soll funktionieren? Es ist ein wiederkehrendes Thema fast aller Arbeiten. Was kann getan werden, damit Menschen sich die freien Räume aneignen.
Den meisten geht es weniger darum, etwas hinzubauen - und wenn, dann darf die unvermeidliche Skatebahn nicht fehlen - als darum, Strukturen aufzubrechen, die versteckten Qualitäten von Räumen sichtbar zu machen. Raumbildung durch Aneignung nennen deshalb Franziska Koch und Katrin Krüger ihr Projekt: Der Westen Dessaus, so ihre Theorie, könne von den Bewohnern durch Trampelpfade erschlossen werden, entlang derer wieder neue Strukturen entstehen könnten. Anarchie statt Stadtplanung, die ohnehin immer noch etwas ratlos vor dem Phänomen Schrumpfung steht, hat sie sich doch jahrzehntelang nur mit Wachstum und dessen Steuerung befasst. Dieser Umstand ist vielleicht die Chance für die nachwachsende Planergeneration: sie hat keinen Glauben zu verlieren.