Zu lange Wege Brückensperrung: Dessauer Pflegedienst muss Patienten kündigen
Der Zustand der Roßlauer Brücken zwingt einen Dessauer Pflegedienst zur Kündigung von fünf Patienten. Warum das nicht leicht gefallen ist und wie die Lösung aussieht.

Dessau-Rosslau/MZ. - Es ist ein Brief, der per WhatsApp schnell die Runde macht. Gekündigt wird fünf Roßlauern, die ob ihren betagten Alters auf fremde Hilfe angewiesen sind.
Lange Wege durch Brückensperrung: Dessauer Pflegedienst kündigt Patienten
Bislang sind sie Tag für Tag, Woche um Woche, Jahr um Jahr vom Pflegedienst Zuversicht medizinisch versorgt worden. Dass der Pflegedienst mit Hauptsitz in Dessau das Handtuch werfen muss, hat mit dem Zustand der Roßlauer Brücken und den damit verbundenen umständlichen Wegen im Stadtgebiet zu tun.
„Aufgrund der Sperrung der Zerbster Brücke ab 1.12. kündigen wir den bestehenden Pflegevertrag zum 30.11., hilfsweise zum 31.12. 2023“, schreibt Veronika Schmidberger ihren Patienten in Roßlau. Man habe sich diesen Schritt nicht leicht gemacht, aber die durch die Sperrung bedingte Umleitung bedeutete für den Pflegedienst, deutlich erhöhte Fahrtwege in Kauf zu nehmen.
Sanierung der Zerbster Brücke sorgt für Probleme in Dessau-Roßlau
Diese Kündigung - obwohl sachlich erklärt, löst in erster Reaktion allemal Entsetzen bei den Betroffenen und deren Angehörigen aus. Er führt hilfsbedürftigen Menschen vor Augen, was Roßlau und Dessau-Roßlau seit rund zwei Jahrzehnten versäumt haben: Die Sanierung der Zerbster Brücke.
Schmidberger schildert, dass die Pflegefachkräfte im vergangenen halben Jahr ihre Patienten nur unter Schwierigkeiten erreichen konnten. Denn die Sperrung der Streetzer Brücke, die nach mehr als einem halben Jahr Vollsperrung am Donnerstag offiziell aufgehoben wurde, bescherte den Mitarbeitern erheblichen Mehraufwand. Nun steht in Roßlau die nächste Umleitung ins Haus:
„Diese Unbekannte bei der Zerbster Brücke können wir nicht durchhalten“, sagt die Geschäftsführerin von „Zuversicht“.
Dessauer Pflegedient: Zu wenig Geld für Betreuung der Patienten
Man möchte meinen, soziale Dienste am Menschen dürften selbst durch ein Nadelöhr im Verkehr nicht eingestellt werden. Doch die Pflegekassen - Vertragspartner von Pflegediensten - haben den Unternehmen ein strenges auf wirtschaftlichen Säulen stehendes finanzielles Korsett verordnet. Rund acht Euro bekommt ein Pflegedienst, der Patienten versorgt.
„Dafür waren wir zuletzt bis 30 Minuten mehr auf der Straße unterwegs“, so schildert Schmidberger. Es habe nach der Kündigung von einem Patienten das Angebot gegeben, den Mehraufwand des Pflegedienstes aus dem eigenen Portemonnaie zu begleichen. „Würden wir das tun, wäre das Abrechnungsbetrug“, sagt Veronika Schmidberger.
Freie Fahrt für Pflegedienste über Zerbster Brücke?
Roßlaus Ortschaftsrat hatte sich nach Bekanntwerden der Kündigung bei der Stadt bemüht, eine Lösung zu finden. „Denn das Problem betrifft schließlich alle Pflegedienste, die hinter der Zerbster Brücke sowohl im Roßlauer Norden als auch in Rodleben oder im Einzugsgebiet von Neeken, Rietzmeck, Brambach Patienten betreuen“, schildert Roßlaus Ortsbürgermeisterin Christa Müller (CDU).
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Bis gestern Vormittag hatte Müller noch keine Antwort vom Amt erhalten auf die Frage, ob es möglich sei, neben dem Linienverkehr von Bussen, Feuerwehr, Krankenfahrzeugen und Notarzt auch den Pflegediensten der Stadt freie Fahrt über die Zerbster Brücke zu gestatten. Das Problem ist seit mindestens einer Woche in der Stadtverwaltung bekannt. Noch immer stehe eine Antwort aus, ärgert sich Ortsbürgermeisterin Müller.
Sperrung in Richtung Zerbst sorgt für Umwege
Die Zerbster Brücke bleibt ab heute zunächst und voraussichtlich bis Ende Januar nur einseitig befahrbar, um die Gefahren herabfallender Brückenteile zu verhindern, werden Bleche unters Bauwerk geschoben.
Wer von Roßlau in Richtung Magdeburg fahren möchte, der muss deshalb Umwege über die Streetzer Brücke in Kauf nehmen. Damit ist die Schifferstadt geteilt, nicht nur für Mitarbeiter oder Zulieferer des Pharmaparks, sondern für alle.
Theresia pflegt weiter
Was wird nun aus den fünf pflegebedürftigen Roßlauern? „Wir haben nach Möglichkeiten gesucht“, sagte Schmidberger und betont, dass einem Pflegedienst in dieser Frage enge Grenzen gesetzt sind. Letztlich müsse der Patient entscheiden, wessen Hilfe er annimmt.
Man habe der Kündigung den Flyer des neuen Roßlauer Pflegedienstes Theresia beigelegt. Zum 1. Dezember übernimmt damit das Team von Geschäftsführer Ralf Zaizek. Die meisten seiner Mitarbeiter wohnen in Roßlau, schildert Zaizek.
Es habe vor wenigen Tagen eine Übergabe stattgefunden - „es lief nicht nur fachlich vorbildlich, sondern auch menschlich“. Zaizek bewegt eine weitere Frage. Diese Kündigung ist die erste, die ein Pflegedienst an Patienten aus einer Notlage heraus aussprechen musste.
Für ihn steht in Zukunft auch die Frage im Raum, wie es angesichts eines stetig wachsenden Pflegebedarfs abgesichert werden kann, dass auch die Bewohner der entferntesten Ortschaften Dessau-Roßlaus Hilfe bekommen können.