Sinkende Population Sinkende Population: Biber verlassen ihre Reviere und bekommen weniger Nachwuchs

Dessau - Den Bibern in den Auen von Elbe und Mulde bei Dessau fällt es zunehmend schwerer, ihre Reviere zu halten. Grund sind zu niedrige Wasserstände.
Immer häufiger trocknen Gräben, Kanäle und Flutrinnen aus. Biber aber brauchen 50 bis 80 Zentimeter Tiefe, um ihre Burg am Ufer zu bauen. „In den letzten Jahren ist verstärkt zu beobachten, dass Elbe und Mulde zu wenig Wasser führen“, sagt der Dessauer Biberforscher Karl-Andreas Nitsche.
„Die Folge ist, dass die Auen austrocknen. Wo früher Gräben waren, ist heute nichts mehr, teilweise fehlen 1,50 Meter Wassertiefe. Manche Biber haben nur noch Pfützen.“ Die Tiere versuchen sich anzupassen. Aber wenn die Biberbauten im Trockenen liegen oder im Winter vereist sind, müssen sie ihr Revier verlassen. Manche verschwinden für immer aus der Region.
Immer weniger Biber: Bibersiedlingen zum Teil nicht mehr besetzt
Der überwiegende Teil der Reviere liegt in den Überflutungsbereichen der Auen. Das Gebiet an den beiden großen Flüssen erstreckt sich auf rund 26 Kilometer, von Vockerode bis Aken an der Elbe und an der Mulde von der A9 bis zur Mündung in die Elbe. Doch besetzt sind die Biberbaue sind nur noch zum Teil.
„Das betrifft auch schon große Reviere“, so Nitsche. So beispielsweise im Hinteren Tiergarten und im Luisium, wo Biber schon vor Jahren aufgeben mussten. Aktuelle Zahlen gibt es nicht. Nitsche geht von etwa 80 Revieren einschließlich der nicht bewohnten aus. Laut Biberreferenzstelle im Biosphärenreservat Mittelelbe waren bei der letzten Erhebung 2012/13 etwa 50 Ansiedlungen besetzt, das sind etwa 170 Tiere. Zwei Jahre vorher waren es noch um die 190 Biber.
Probleme gibt es nicht nur in Dessau, auch in Holland oder Russland beispielsweise macht Niedrigwasser den Tieren zu schaffen. „Biber versuchen so lange wie möglich, ihren Bau zu halten. Sie kommen auch mit niedrigeren Wasserständen aus - weil sie müssen. Zur Not mit 20 Zentimetern.“
Im Auengebiet haben sie verschiedene Strategien entwickelt. So versuchen sie, das Gewässer vor dem Bau zu vertiefen und baggern aus. „Man sieht, wie sie den letzten Rest zusammen graben, Schlamm aufschieben, um ein bisschen Wasser zu halten. Die Biber sehen dann auch entsprechend aus.“
Und sie verlängern den Eingang am Ufer mit Ästen, damit er weiter unter dem viel tieferen Spiegel liegt oder legen eine neue Eingangsröhre an. Manchmal liegen die Eingänge aber bereits über dem Wasserspiegel. Der Bau steht dann auch offen für Feinde wie dem Fuchs.
Auseinandersetzungen und Stress im Revierkampf sorgen für weniger Nachwuchs
Nur wenn der Bau total ausgetrocknet ist, sucht sich der Biber einen neuen Standort. Er versucht es dann in einem benachbarten Revier. Ein nicht besetztes zu finden, ist aber schwierig. „Die noch bewohnbaren Reviere sind inzwischen alle belegt, die Kapazität ist ausgeschöpft“, sagt Nitsche.
„Das bedeutet Auseinandersetzungen und Stress. Es kann gut gehen und zwei Biber teilen sich ein Revier. Wenn nicht, gibt es Verluste oder er wandert ganz ab.“ Werden die Reviere kleiner, weil mehr Biber darin leben, wird auch das Futter knapp.
„Die Folge ist eine erschreckend niedrige Reproduktionsrate. In den letzten Jahren gab es kaum Zuwächse bei den Bibern, zwischendurch auch mal gar keinen“ Zwar sei die Art in der hiesigen Region nicht bedroht. „Aber in anderen Ländern ist die Reproduktion viel höher.“
Die Perspektiven beurteilt Nitsche skeptisch. „Wir müssen uns fragen, was passiert, wenn das anhält. Der Landschaft fehlt generell Wasser.“ Die Gründe dafür seien vielfältig, eine Lösung schwierig. Im Gebiet von Elbe und Mulde sei insgesamt der Grundwasserspiegel gesunken, so der Biberforscher.
„Die Elbe hat sich vertieft. Auch das wirkt sich auf den Pegel aus.“ Zudem habe sich der durchschnittliche Niederschlag verringert: Vor allem im Sommer und im Herbst fehlt Regen.
Viele Flächen sind durch Bebauung versiegelt worden
„Es gab immer Trockenjahre, aber nie in Folge wie jetzt. Das kompensieren auch Regen oder Hochwasser nicht.“ Zwar gebe es noch extreme Hochwasser, „aber sie sind meist zu kurz. Da bleibt in den Auen nichts hängen.“ Durch milde Winter fehle auch die Schneeschmelze. Ob insgesamt die globale Erwärmung eine Rolle spielt, das sieht Nitsche bisher nicht nachgewiesen.
Hinzu komme, dass Flächen durch Bebauung versiegelt worden seien. „Es sind zu viele Flächen verloren gegangen. Der Kreislauf ist gestört. Wasser kann nicht mehr abfließen.“
Nitsche hat eine grundsätzliche Forderung: „Die Flüsse sind das A und O. Sonst trocknen die Auen aus. Und wir müssen mehr Wasser in der Landschaft halten. Das heißt: weniger Versiegelung und mehr Fläche wieder wasserdurchlässig machen.“
Nur kleine Lösungen und keine echte Zuständigkeit für das Problem
Ansetzen könne man derzeit aber nur im Kleinen. „Unter anderem indem in den Auen Flächen für Weidepflanzen und Weichholz geschaffen werden, damit mehr Nahrung zur Verfügung steht.“
Eine Methode wäre auch die Regulierung des Wasserspiegels am Biberdamm durch ein Drainagerohr. Dadurch bliebe der Damm erhalten, muss nicht heraus genommen oder zerstört werden. „Das alles kostet aber Geld und es muss jemand verantwortlich sein. Das ist insgesamt das größte Problem: Es fühlt sich keiner zuständig.“ (mz)
