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Seit 50 Jahren Diakonisse Seit 50 Jahren Diakonisse: Ein erfülltes Leben

Von Heidi Thiemann 08.06.2014, 12:19
Schwester Magdalena Freytag ist seit 50 Jahren Diakonisse.
Schwester Magdalena Freytag ist seit 50 Jahren Diakonisse. Sebastian Lizenz

Dessau/MZ - „Wir waren in unserem Beruf etwas Besonderes“, sagt Schwester Magdalena. Heute ist eine wie sie eine Ausnahme. Eine Diakonisse - erkenntlich an ihrer Tracht mit Haube, Kleid und Kreuz. Frauen, die Krankenhäusern einst ihren Namen gaben und dort Dienst taten. Denn eine Diakonissenschwesternschaft war es, mit der 1894 die Anhaltische Diakonissenanstalt (Ada) in Dessau gegründet wurde in dem Auftrag, „Christus in den Kranken, den Alten und den Kindern zu dienen“. Schwester Magdalena macht dies seit einem halben Jahrhundert.

In einem sehr musikalischen Elternhaus ist Magdalena Freytag aufgewachsen zusammen mit acht Geschwistern. In Groß Santersleben bei Haldensleben haben ihr Vater, ein Pfarrer, und die Mutter ihr das Rüstzeug für das Leben mitgegeben und sie stets erleben lassen, „dass man füreinander da ist“. Wegbegleitend und -führend, erzählt die 78-Jährige, waren viele Erlebnisse in der Familie, wie auch ein Unglück im Jahr 1946. „Wir haben meinen Bruder im Sterben begleitet.“ Das, stellt sie fest, habe sie geprägt auf ihrem Lebensweg.

Mit 15 Jahren nach Dessau

15 Jahre alt war sie, als sie ins Diakonissenkrankenhaus nach Dessau kam, denn der Weg auf die Oberschule war der Pfarrerstochter verwehrt. „Sehr bald habe ich mich entschlossen, in die Schwesternschaft einzutreten“, erzählt sie. 1954 war es soweit. Denn erst mit 18 Jahren konnte sie ihre Ausbildung beginnen. Kirchenmusikalisch geschult wurde die begeisterte Orgelspielerin in Halberstadt, die Ausbildung in der Krankenpflege wurde in Ludwigslust vermittelt. „Was mich in dieser Zeit geprägt hat“, blickt sie zurück, „war das Internatsleben.“ Hier wurde Gemeinschaftssinn entwickelt, gemeinsam geistiges Leben gepflegt. „Wir haben uns gegenseitig ergänzt und voneinander gelernt.“

Ihren Entschluss nie in Frage gestellt

Ihren Entschluss, Diakonisse zu werden - und damit Teil der Glaubens-, Dienst- und Lebensgemeinschaft -, hatte das junge Mädchen nie in Zweifel gezogen, nie in Frage gestellt. „Man spürt, dass man geführt wird“, blickt sie zufrieden zurück auf die Probezeit als Novizin und schließlich auf die Einsegnung als Diakonisse. Mit zwei Bussen, staunt sie selbst, wurden die Diakonissen anlässlich dessen zur Johanniskirche gebracht. Die Frauen in ihrer Tracht waren etwas ganz Normales im Stadtbild und keine Seltenheit wie heute.

Was vor fünf Jahrzehnten auch kein Wunder war. „Jede Kirchgemeinde hatte eine Diakonissenschwester, die im Pflegedienst tätig war.“ Schwester Magdalena war in Dessau eine von zwölf. Hinzu kamen die Schwestern in der Ada - alles Diakonissen.

Nicht nur in der Petrusgemeinde in Dessau war Schwester Magdalena im Pflegedienst tätig, später auch in Bernburg. „Die Poliklinik konnte uns jederzeit Bescheid sagen, wo Hilfe gebraucht wurde“, erzählt sie. „Wir haben jeden gepflegt, ob er in der Kirche war oder nicht.“

Das Entgelt dafür kam von der Kirchgemeinde, „eine Abrechnung bei der Krankenkasse war für uns nicht möglich“, schüttelt sie den Kopf. Zu Fuß oder mit dem Fahrrad habe sie bis zu 37 Hausbesuche am Tag absolviert. „Bei manchem“, schmunzelt sie, „habe ich Holz gehackt, den Ofen angeheizt, manchem auch Essen gekocht.“ Den Kranken das Leben zu erleichtern, war stets ihr Ziel, „und trotzdem haben wir auch Zeit gefunden für die Arbeit in der Kirchgemeinde“.

Lesen Sie auf der nächste Seite, warum sich heute junge Frauen nicht mehr für diesen Dienst interessieren.

Zeit nahm sie sich aber auch, um sich noch einmal auf die Schulbank zu setzen, um zu studieren - Pfarramt im Fernunterricht. „Und das, obwohl ich nur den Schulabschluss der achten Klasse hatte.“ Leicht war es nicht von 1974 bis 78 „neben dem vollem Dienst im Altersheim“, aber missen möchte sie diese Zeit nicht.

Damit Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleibt

Ihren Ausgleich, erzählt die Diakonisse, fand sie stets „in der Musik und in der Begegnung mit jungen Menschen“. Ob in der Petrusgemeinde in Dessau oder an der Martinskirche in Bernburg - Chöre zu leiten, Vorschulkinder um sich zu sammeln, mit Jugendlichen gemeinsam auf Fahrt zu gehen, das habe sie erfüllt. Das war aber auch so, als sie dreizehn Jahre im Marienheim der Ada gearbeitet hatte und als sie an die St. Trinitatiskirche nach Zerbst ging, wo sie im kirchlichen Dienst tätig war.

„Es war nicht nur Arbeit, sondern Lebensgestaltung“, blickt sie auf ihre 50-jährige Schwesternschaft zurück. Eine schöne Lebenserfahrung und -zeit war der Dienst in Gemeinden und Pflegeheimen, in Christenlehre, Predigtstelle, als Seelsorgerin und als Kirchenmusikerin. Vielen Menschen ist sie begegnet, mit denen sie noch heute in Verbindung steht. „Ich hatte einen großen Radius, der bis nach Tansania führte“, blickt sie zurück auf eine Reise in das afrikanische Land.

Obwohl sie längst im Ruhestand ist - die Hände in den Schoß legen kann Schwester Magdalena nicht. Ob bei der musikalischen Gestaltung der Gottesdienste oder beim Singen aller 14 Tage mit den Bewohnern im Marienheim. Sie hilft, wo sie gebraucht wird.

Zuhause ist Schwester Magdalena im Mutterhaus der Ada. Dort leben die Diakonissen in Gemeinschaft. Geprägt sind die Frauen durch ihren christlichen Glauben, arbeiten und leben miteinander. Der Lebensstil ist einfach. Verdienst und Rente gehen in eine gemeinsame Kasse. „Davon leben wir alle.“ Eine jede erhält ein Taschengeld. Unzufrieden war und ist die 78-Jährige damit nicht.

Gemeinschaft geöffnet

Dass es am Geld liegen könnte, dass junge Frauen heute kaum mehr den Weg von Schwester Magdalena gehen, glaubt sie nicht. „Ich denke, das ist unserer schnelllebigen Zeit geschuldet. Niemand möchte sich mehr festlegen und verpflichten auf Lebenszeit.“

Ehelos und enthaltsam müssen Diakonissen heute nicht mehr leben. Die Gemeinschaft hat sich geöffnet. Heute können ihr auch verheiratete Frauen angehören. Doch Schwester Magdalena weiß um den Spagat, den diese Frauen machen zwischen Dienst, Familie und Gemeinde. Heute gibt es noch neun Diakonissen an der Ada, nur zwei sind aktiv, darunter Schwester Sylke, die vor fünf Jahren eingesegnet wurde. „Ich würde es ihr gönnen, wenn noch zwei oder drei Frauen ihren Weg gehen“, sagt Schwester Magdalena. „Damit der diakonische Gedanke weitergetragen wird. Damit Menschen Hilfe, Zuspruch und Aufnahme finden. Damit die Menschlichkeit nicht auf der Strecke bleibt.“