Schuldneratlas 2018 Schuldneratlas 2018: Krasse Gegensätze zwischen den Stadtteilen von Dessau-Roßlau

Dessau-Roßlau - In keinem Gebiet Sachsen-Anhalts leben weniger überschuldete Menschen als in Ziebigk, Dessau-Siedlung, in Groß- und Kleinkühnau. Laut aktuellem Schuldneratlas der Unternehmensgruppe Creditreform gelten in diesem Teil Dessau-Roßlaus mit der Postleitzahl 06846 nur etwa 5,79 Prozent aller Einwohner über 18 Jahren als überschuldet. Der Landesdurchschnitt liegt bei 12,73 Prozent (2017: 12,71), der Bundesdurchschnitt bei 10,04.
Als überschuldet gelten laut Erhebung Personen, deren Einnahmen nicht mehr ausreichen, um ihren finanziellen Verpflichtungen - beispielsweise Handyrechnungen oder Kreditraten - zu erfüllen. Dass das in Dessaus nordwestlichen Stadtgebieten vergleichsweise nur so wenige Menschen betrifft, ist für die Mitarbeiter der Schuldnerberatungen der Doppelstadt keine Überraschung. „Ich habe sehr wenige Ratsuchende aus diesen Stadtteilen“, sagt Felix Zimmermann.
Er ist Schuldenberater beim Diakonischen Werk im Kirchenkreis Dessau. „Hier wohnen eher gut situierte Bürger, es gibt wenige Arbeitslose.“ Seine Kollegin Heike Preuß von der städtischen Beratungsstelle pflichtet ihm bei: „Das sind schon immer die besseren Wohngegenden Dessaus.“ Auch Zvonka Novak-Adler vom Verein „Neue Wege“ teilt diese Einschätzung. Der Bereich sei zudem vor allem durch Einfamilienhäuser, also Wohneigentum, geprägt.
Mit 10,08 Prozent herrscht im Stadtkern die höchste Arbeitslosigkeit
Ein Blick in den jüngsten Sozialreport der Stadt untermauert dieses Bild. Ziebigk, Siedlung, Groß- und Kleinkühnau sind darin in einem Sozialraum zusammengefasst. Mit 3,27 Prozent ist die Arbeitslosenquote hier am zweitniedrigsten. Nur 4,69 Prozent der Einwohner empfangen existenzsichernde Sozialleistungen. Nur im Süden (Törten, Haideburg) und Osten (Mildensee, Kleutsch, Sollnitz, Waldersee) liegen beide Werte noch etwas niedriger. Umgekehrt stellt sich die Situation in der Innenstadt dar.
Mit 10,08 Prozent herrscht im Stadtkern die höchste Arbeitslosigkeit. 24,82 Prozent der Anwohner empfangen existenzsichernde Sozialleistungen und 49,13 Prozent aller Kinder und Jugendlichen leben in Familien mit existenzsichernden Leistungen - also jeder zweite Minderjährige. Wie der Schuldneratlas zeigt, liegt in den Postleitzahlgebieten, zu denen die Innenstadtbereiche gehören, entsprechend auch die Überschuldung mit 17,15 Prozent in der südlichen Innenstadt und 14,45 Prozent in Mitte und Nord über dem Landesdurchschnitt.
Roßlau liegt mit 16,4 Prozent dazwischen. „Das deckt sich mit unseren Erfahrungen in der Beratung. Die meisten Ratsuchenden kommen aus der Innenstadt und aus Roßlau zu uns“, bestätigt Felix Zimmermann.
Ein großes Problem seien außerdem Darlehen und Handyverträge
Besonders häufige Gründe für Überschuldung seien falscher Umgang mit Geld, Verlust der Arbeit, gescheiterte Selbstständigkeit oder ein Niedriglohneinkommen. Ein großes Problem seien außerdem Darlehen und Handyverträge, für die keine Schufa-Auskunft nötig sei. „Die Mehrzahl der Schuldner sind Sozialleistungsempfänger“, fügt Heike Preuß hinzu. Einig sind sich die Schuldnerberater auch darüber, dass ledige Männer zwischen 28 und 39 Jahren unter den Überschuldeten die größte Gruppe darstellen.
Die Erklärung der Berater: Bei diesen Jahrgängen handle es sich um Kinder von Eltern mit gebrochener Erwerbsbiografie, also Menschen, die nach der Wende arbeitslos wurden. „Damit stand im Elternhaus weniger Geld zur Verfügung. Das wirkt sich auf die schulische, aber auch auf die kulturelle Bildung und die soziale Teilhabe aus“, erläutert Zvonka Novak-Adler.
Über 9.000 Dessau-Roßlauer sind überschuldet
Auch Kinder spielen eine Rolle beim Thema Überschuldung. Von den 344 Ratsuchenden, die 2017 eine der drei Beratungsstellen in Dessau aufgesucht haben, lebten nach Angaben der Stadt bei gut der Hälfte davon Kinder im selben Haushalt.
In Dessau-Roßlau wohnen laut Schuldenatlas aktuell 9.243 überschuldete Personen. 53 weniger als 2017. Die Überschuldungsquote für das Gesamtstadtgebiet ist seit 2017 trotzdem leicht gestiegen, von 12,82 auf 12,87 Prozent in diesem Jahr.
Grund: Die Anzahl der Bürger über 18 Jahren sinkt, die der Schuldner bleibt relativ konstant. Der Schuldneratlas erscheint jährlich und wird von der Unternehmensgruppe Creditreform erstellt, die unter anderem Bonitätsprüfungen und Inkassoverfahren durchführt. (mz)