Sachsen-Anhalt-Tag Sachsen-Anhalt-Tag: Der zeigt seinen Hofstaat

Dessau-Roßlau/MZ. - Seine Durchlaucht trinkt rote Fassbrause. Donnert sein Volk mit einem „Nehmet Grundhaltung an!“ zusammen. Und verleitet kleine Mädchen, artig den Hofknicks zu machen. Fürst Leopold, der „Alte Dessauer“ ist in seinem Element. Was Cosma (8) aus Leipzig aber auch erlebt, ist: So ein Hofstaat kann zu etwas nütze sein. Vor allem, wenn Geheimrat von Raumer dem jungen Volk erklärt, wie sich das Taschengeld aufbessern lässt. Mit dem richtigen Armschwung beim Knicks ist die offene Hand am Ende nämlich in exakt der richtigen Position, um ein paar Taler hineinfallen zu lassen. Cosma wird es sich merken.
Leopold I., Fürst von Anhalt-Dessau, zivil der Ex-Berufssoldat Klaus Brucker, hat mit seinem Hofstaat gut zu tun bei diesem Sachsen-Anhalt-Tag. Auf dem erreicht ein besonderes Jubiläum seinen Höhepunkt - 800 Jahre Anhalt. Von Anhalt begegnet den Gästen drei Tage lang jede Menge, angefangen bei Nachbildungen des Schlosses Leopolds im Rathauscenter. In der Shopping-Meile sind Festsaal, fürstliche Druckerei oder Frisier- und Schneiderstube dicht umringt.
Ein ganzes Dorf für sich
Und draußen: Locken Bauhaus und Co., die Landeskirche Anhalts (die noch alte Grenzen hoch hält), verbreiten 500 Stauden im Rathaus-Innenhof ein Flair a la Gartenreich, gibt es in der Event-Küche deftig-schlichtes Anhaltisches, können Gäste mit der JU52 aus den Junkers-Werken „auf Anhalt fliegen“. Draußen gibt es mit dem Anhaltdorf auch ein sechstes neben den üblichen fünf Regionaldörfern. Von wegen Anhalt sei immer noch ein Klein-Klein, in dem jeder seins macht, wie der Bernburger Sven Braun (37) spöttelt. Unter den Augen derer, die von 9500 Porträtbildern eines Riesen-Mosaiks auf das Dorf schauen, präsentieren sich die Residenzstädte gemeinsam.
Und weil Anhalt, wie die Geschichte zeigt, schon oft clevere Menschen hervorgebracht hat, zeigt sich auch die Anhalt-800-Geschäftsstelle gut vorbereitet: Am Freitag verschaffen Anhalt-800-Fächer Linderung in schwüler Hitze. Tags darauf gehen bei nicht ganz so fürstlichem Wetter kostenlose Regenponchos sprichwörtlich weg wie warme Semmeln. „2000 hatten wir, zwei Drittel sind raus“, sagt Janet Stojan kurz nach Mittag. Unter dem Denkmal des Fürsten zeigt sich derweil, wie viel Anhalt in den Köpfen der Menschen steckt - zumindest in denen älterer und ganz junger. „Wir hatten Anhalt in der dritten und vierten Klasse“, erzählt Robin Stähr (11), Fan des Gartenreiches. Thomas und Inge Uschold schwärmen von „einem der fortschrittlichsten Herzogtümer“, nicht reich, aber voller Ideen. Und wissen immer Neues zu entdecken - die Reste der Burg Anhalt waren ihnen bis 2011 nicht bekannt. „Kulturmäßig ist die Region eine unentdeckte Perle“, sagt Michael Biesenthal aus Nordrhein-Westfalen, nach einem Kultur-Kurs mit seiner Dessauer Ehefrau voll im Stoff.
Aufräumen mit Irrtümern
Dass sich das herumspricht, hofft der Verein für Anhaltische Landeskunde. Er betreut in der Marienkirche die Ausstellung „Anhalt International“, bis September eine Schau von Im- und Exporten Anhalts, persönlichen wie wirtschaftlichen. Da ist der Anhalt-Dackel, eine Langhaardackel-Züchtung des 18. Jahrhunderts, ebenso zu bewundern wie Raddampfer für Brasilien oder das Wirken Hugo Junkers. Und so manch Anhalt-Irrtum lässt sich nebenbei auch noch aufklären, sagt Vereinschef Hermann Seeber. Dass Fürst Leopold als Feldmarschall den Gleichschritt erfunden hat etwa: zu viel der Ehre, aber er habe ihn in die Schlachtordnung eingeführt - ein Rezept für seinen Erfolg.
Stichwort Durchlaucht: Die hat am Wochenende ein riesiges Volk von 350000 Einheimischen und Gästen um sich geschart, von denen Zigtausende bei anfänglichem Kaiserwetter am Sonntag einen Umzug erleben, den erstmals nicht die Gastgeberstadt, sondern eine Region anführt - Anhalt eben. Und der Fürst? Ist noch von Fassbrause auf Zünftigeres umgestiegen - ein Anhalt-Bockbier, zum Jubiläum vom Dessauer Brauhaus kreiert. Alles in allem: ein wahrhaft fürstliches Fest.