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Rund ums erfrischende Wasser Rund ums erfrischende Wasser: Ein Bad im Fluss war reine Männersache

02.08.2004, 15:52

Dessau/MZ. - Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich das bis dahin wilde Baden zur Flussbadekultur. Die ersten Badestellen wurden mit Stangen abgesteckt. Für das Baden außerhalb der abgesteckten Stellen konnte man mit bis zu drei Tagen Arrest oder einer Geldstrafe rechnen. Das öffentliche Bad blieb zunächst oft reine Männersache. Für das weibliche Geschlecht gehörte es sich einfach nicht, sich so freizügig dem öffentlichen Interesse auszusetzen.

Nach dem 1802 errichteten ersten Muldebadehaus in Dessau entstand im Jahre 1818 eine Flussbadeanstalt mit drei Badezimmern. Die Zimmer hatten alle einen Klingelzug, um die Badefrau herbeizurufen. Frauen und Mädchen der unteren Volksklasse war es kaum möglich, sich so ein Bad zu gönnen. Noch 1860 wird die für sie fehlende Bademöglichkeit bemängelt und vorgeschlagen, für sie ein Bad in den Fischbehältern des Fischers Haltnorth am Schleuderteich im Tiergarten zu errichten.

Nach behördlicher Darstellung war im Jahre 1855 der beste Badeplatz Dessaus am "großen Parnekel" (Tiergarten) zu finden. Ein weiterer kostenpflichtiger Badeplatz befand sich an der Scheplake. Für sparsame und ärmere Bader gab es Plätze am "kleinen Parnekel" und hinter dem "Schinderhäuschen".

Das 20. Jahrhundert brachte revolutionäre Neuerungen hervor. Zunächst entstanden mit dem ab der Jahrhundertwende aufkommenden Vereinswesen in Dessau die Schwimmvereine "Neptun", "Nixe" und "Vorwärts". Ab 1925 war es gar möglich, dass Mann und Frau in Familienbädern gemeinsam ins Wasser steigen konnten. Die Entwicklung zu grenzenloser Freiheit beseitigte auch die letzten Barrieren - die Nacktbadekultur entwickelte sich. Die neue Freizügigkeit erweckte sowohl Neugier als auch Abscheu. Als Beleg dafür sei eine Streiterei aus dem Jahre 1931 erwähnt. Damals hatte gegenüber des sich auf dem Tannenheger befindlichen Schwimmvereins "Nixe" der Nacktkulturverein "Lichtbund" sein Domizil aufgeschlagen. Diese Beeinträchtigung ihres Vereinslebens wollte die "Nixe" nicht mehr hinnehmen und beklagte, dass es sich "die Anhänger dieser Sache nicht nehmen lassen, sich vollständig nackend auf diesem Wiesengelände zu produzieren" und "ihre Spiele zu vollführen".

Noch tummelten sich in dieser Zeit die meisten Menschen an den schönen Sandstränden der Elbe (am Kornhaus). Doch die sich ab den 30er Jahren ständig verschlechternde Wasserqualität läutete das Ende der Flussbadeepoche ein. Wegen der Gesundheitsgefahren für die Badenden in Elbe und Mulde wurde 1938 die Notwendigkeit gesehen, einwandfreie Bademöglichkeiten zu schaffen. So entstand aus einer Kiesbaggergrube zum Autobahnbau das Seebad Mildensee. Es öffnete im Juli 1939 seine Pforten. In der Zwischenzeit hatte die Verschmutzung der Elbe ihren Höhepunkt erreicht. Aus der ehemals idyllischen Lebensader Elbe war eine giftige und stinkende Wasserstraße geworden. Nachdem ein Umdenken bei der Nutzung der Flüsse einsetzte und die Wasserqualität stark verbessert wurde, kündigt sich in jüngster Zeit eine Renaissance des Flussbadens an. Die an den Flüssen wohnenden Menschen entwickeln wieder eine Beziehung zu ihrem Fluss und erfreuen sich an Mulde und Elbe.

Der nächste Elbebadetag findet am 22. August zwischen Kornhaus und Leopoldshafen statt.