Reit- und Therapiezentrum Rodleben e.V. Reit- und Therapiezentrum Rodleben e.V.: Jeder Tag besonders und außergewöhnlich
Rodleben/MZ. - "Meine Mutter ließ mich ein Jahr lang jeden Tag zu den Pferden fahren, bevor ich sie reiten durfte. Nach einem Jahr bemerkte sie dann, dass meine Leidenschaft kein Strohfeuer war. Und immerhin brennt es ja noch heute, nach 32 Jahren", erinnert sich Kirsten Osterland, Vorsitzende des Reit- und Therapiezentrums Rodleben e.V. (RTZ) schmunzelnd.
Gegründet am 1. Januar 1996, ist das RTZ die bisher einzig anerkannte Einrichtung im reittherapeutischen Bereich in Sachsen- Anhalt. "Ich habe mir damit einen Lebenstraum verwirklicht", bekennt Kirsten Osterland, die auf dem Hof alle nur "Jule" rufen. Die gelernte Veterinäringenieurin wußte schon zeitig, dass für sie nur ein Beruf, der sich intensiv mit Tieren beschäftigt, in Frage kommt und übernahm ab 1987 die Leitung des Reitvereines Dessau-Neeken. Nach der Wende schulte sie sich drei Jahre in einem Lehrgang für therapeutisches Reiten und erwarb die Lizenz des Deutschen Kuratoriums für Therapeutisches Reiten. "So etwas lag mir schon immer am Herzen. Die Nachfrage nach einer Einrichtung, die es körperlich und geistig Behinderten ermöglicht, sich sportlich zu betätigen und dabei therapiert zu werden, stieg an. Aus diesem Grund beschloss ich diesen Weg, der mir zu DDR-Zeiten versperrt blieb, nach der Wende zu gehen", beschreibt Osterland, die selbst eine geistig behinderte Schwester hat, ihre Motivation.
Weil es mit dem Neekener Verein Differenzen gab, kündigte sie 1996 und "plante die Vereinsgründung Knall auf Fall in sechs Wochen". In der Stunde Null gab es gerade mal drei Pferde, einen kleinen Reitplatz und 20 Mitglieder. "Es waren sehr schwierige Anfangszeiten und ohne die Hilfe einiger guter Freunde hätte ich es nicht geschafft. Aber wenn man etwas mit ganzem Herzen will, dann kann man es erreichen", sagt Osterland.
Mittlerweile werden neben den 200 Vereinsmitgliedern noch 240 temporäre Gäste aus heilpädagogischen Kindergärten, dem Albert-Schweitzer-Familienwerk und aus psychiatrischen Einrichtungen betreut. Mit 39 Pferden und insgesamt zehn Übungsleitern ist auch der durchgängige tägliche Reitunterricht gewährleistet.
Vereinszweck ist, neben der Förderung des Pferdesportes vor allem die Integration von Behinderten und die Zusammenarbeit von Nichtbehinderten und Behinderten im Reitsport. "Neben dem Aspekt der rein physischen Therapie, ist die Reittherapie auch wichtig für die Psyche der Betroffenen".
Es sei für sie von großer Bedeutung, das Gleiche wie ein Gesunder erleben zu können. Dieses Erfolgserlebnis übertragen sie dann auf andere Bereiche ihres Lebens, werden selbstsicherer und selbstständiger, beschreibt Kirsten Osterland eine der Wirkungen der Reittherapie. Außerdem sei es auch für Nichtbehinderte ein großes Glück, denn sie lernten Menschen mit Behinderungen nicht auszugrenzen. Darauf ausgerichtet ist auch das Vereinsleben, das von Sommerfesten und Osterfeuern bis zum "Schlafen im Heu" und Kindergeburtstagen abwechslungsreiche Aktivitäten anbietet.
"Hier ist jeder Tag besonders und außergewöhnlich, umso mehr tut es mir leid, dass ich nicht immer hier sein kann", bedauert die 38-Jährige, die zurzeit in Leipzig im vierten Studienjahr Veterinärmedizin studiert und augenblicklich für ihr erstes Staatsexamen büffelt.
Trotzdem hat sie fürs Therapiezentrum noch viele Pläne. So will sie versuchen, behinderten Menschen Arbeit zu bieten. Ein weiteres Ziel ist die Ausrichtung von integrativen Turnieren, die den Zuschauern die Erfolge der behinderten und nichtbehinderten Reiter zeigen soll. "Wir sind mit unseren Ideen nicht am Ende", lächelt sie.