Redaktionsstatut abgelehnt Redaktionsstatut abgelehnt: Weiter Streit um Fraktionsseiten im Amtsblatt von Dessau-Roßlau

Dessau-Roßlau - „Kritik am Handeln der Verwaltung soll unterdrückt und ausgeblendet werden!“ - So empörte sich Hans-Peter Dreibrodt (Freie Fraktion) vergangene Woche im Haupt- und Personalausschuss. Kurz zuvor war der Tagesordnungspunkt 9.3 aufgerufen worden. Titel: „Redaktionsstatut für die Herausgabe des Amtsblattes.“ Dabei handelt es sich um den Versuch von Oberbürgermeister Peter Kuras, die Regeln für Fraktionstexte im Amtsblatt zu verschärfen.
Als Ergebnis einer kontrovers geführten Diskussion zwischen Räten und Verwaltung ist das Vorhaben nun vorerst vom Tisch. Das durch die Verwaltung erarbeitete Redaktionsstatut wurde nach Geschäftsordnungsantrag von Eiko Adamek (CDU) bis auf weiteres vertagt.
Texte der Freien Fraktion im Amtsblatt erregten Anstoß
Auslöser für Kuras Vorstoß waren in der ersten Jahreshälfte Texte der Freien Fraktion, in denen Verwaltungsmitarbeiter, der Oberbürgermeister sowie Stadträte aus Sicht der Verwaltung teils persönlich verletzend, teils rufschädigend angegriffen worden waren.
Da die Stadt als Herausgeber des Amtsblatts für rechtlich relevante Inhalte zur Verantwortung gezogen werden kann, sah Kuras Handlungsbedarf. Konkret sollten im Zweifelsfall das Präsidium des Stadtrats, der Oberbürgermeister sowie Pressestelle und Rechtsamt gemeinsam über die Rechtmäßigkeit strittiger Beiträge urteilen.
Zusätzlich sollte der Stadtrat nach Kuras Willen ein Statut für die Fraktionsseiten verabschieden, in dem es heißt: Beiträge sollten dann nicht veröffentlicht werden, wenn sie „offenbar unwahr sind, ehrverletzend beziehungsweise beleidigend sind, die öffentliche Verwaltung herabwürdigen oder gegen die Sitten verstoßen.“
Den Fraktionen gingen diese Pläne samt formaler Selbstverpflichtung jedoch zu weit
Den Fraktionen gingen diese Pläne samt formaler Selbstverpflichtung jedoch zu weit. Die in dem vorgelegten Redaktionsstatut vorgeschlagenen Kriterien seien derart subjektiv, „dass sie möglicher Willkür eines wie auch immer gearteten Tribunals Tür und Tor öffnen“, formulierte Dreibrodt.
Zwar äußerten sich die anderen Fraktionen selbst nicht derart drastisch. Stadträte unterschiedlicher Parteien hatten sich ja im Gegenteil schon im August gegenüber der MZ dafür ausgesprochen, in Hinblick auf die Beiträge der Freien Fraktion strengere Regeln an eine Veröffentlichung im Amtsblatt anzulegen. Die Stadt solle Texte stärker redaktionell betreuen, hatte etwa Eiko Adamek (CDU) gefordert. Ralf Schönemann (Linke), selbst immer wieder Zielscheibe auf den Seiten der Freien Fraktion, plädierte für eine Art Ehrenkodex.
Drei Monate später jedoch genügt aus Sicht der Fraktionen ein Passus in der Geschäftsordnung der Stadt, um dem Problem beizukommen. Dieser besagt: „Die Fraktionen erhalten die Möglichkeit sich im Amtsblatt der Stadt Dessau-Roßlau über ihre Stadtratsarbeit zu äußern. Verantwortlich im Sinne des Presserechtes ist der namentlich benannte Verfasser.“ Dies hatten Vertreter der Parteien in einer Arbeitsgruppe zur Änderung der Geschäftsordnung formuliert.
Kann eine bloße Formulierung in der Geschäftsordnung, dem jeweiligen Autor die alleinige Verantwortung zuschreiben?
Doch kann eine bloße Formulierung in der Geschäftsordnung, dem jeweiligen Autor die alleinige Verantwortung zuschreiben und die Stadt als Herausgeber davon entbinden? „Nein“, reagierte Stadtsprecher Carsten Sauer im Ausschuss. „Sollten Inhalte strafrechtlich relevant sein, sind wir als presserechtlich Gesamtverantwortliche neben dem Autor mit in der Verantwortung.“ Und Kuras ergänzte: „Wir können mit unserer Satzung nicht das Presserecht aushebeln.“
Diese Rechtsauffassung teilt auch der Landesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV), Uwe Gajowski. „Zwar sind die Autoren für die Beiträge zivil- und strafrechtlich verantwortlich, doch entbindet das den für das Amtsblatt presserechtlich Gesamtverantwortlichen nicht von seiner Gesamtverantwortung für das Druck-Erzeugnis“, so Gajowski auf MZ-Nachfrage im August.
„Dann behalte ich mir das Recht vor, im Falle strittiger Fraktionstexte allein über die Veröffentlichung zu entscheiden"
Die Mitglieder des Haupt- und Personalausschusses wollten dem allerdings nicht folgen. „Wir haben andere Informationen“, erklärten übereinstimmend Guido Fackiner (Grüne, FDP, Neues Forum - Bürgerliste) und Ingolf Eichelberg (SPD). „Lassen Sie uns jetzt mit der Geschäftsordnung festschreiben, dass der Autor presserechtlich verantwortlich ist“, forderte Eichelberg. „Ich bitte um Abstimmung.“ Der Ausschuss stimmte dem zu.
Kuras kündigte daraufhin an, die Geschäftsordnung zu beanstanden, sollte der Stadtrat sie am 4. Dezember so verabschieden. „Dann muss die Kommunalaufsicht die Frage klären“, so der OB. Der Ausschuss zeigte sich unbeeindruckt und entschied, das Redaktionsstatut bis zur angekündigten Klärung durch das Landesverwaltungsamt erst einmal zu vertagen.
„Dann behalte ich mir das Recht vor, im Falle strittiger Fraktionstexte allein über die Veröffentlichung zu entscheiden“, betonte Kuras. Auch dies ist allerdings heikel. DJV-Chef Gajowski: „Für die Redaktion eines Amtsblattes ist es schwierig, den Abdruck von Beiträgen der politischen Parteien mit rechtlich problematischen Inhalten zu verhindern, denn in Deutschland gibt es keine Zensur.“ (mz)