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Quer durch Europa Quer durch Europa: Urlaubsträume: Seit 40 Jahren unterwegs mit der "Balkanziege"

Von Danny Gitter 18.03.2018, 08:00
Für das rumänische Fabrikat, im DDR-Volksmund „Balkanziege“ genannt, war kein Berg zu hoch. Es funktionierte auch als Wohnmobil ganz gut.
Für das rumänische Fabrikat, im DDR-Volksmund „Balkanziege“ genannt, war kein Berg zu hoch. Es funktionierte auch als Wohnmobil ganz gut. Privat

Dessau - Es war diese Freiheit, die sie meinten. Sachen packen und dann ab in die Tschechoslowakei, an die Schwarzmeerküste nach Rumänien oder an den Balaton nach Ungarn. Um eine Unterkunft, an die man damals in diesen Ländern sowieso nur schwer rankam, brauchten sie sich keine Gedanken zu machen. Ihre Herberge hatten die Camper immer dabei.

Club „MC Caravantouristik Dessau“ gründete sich 1978

Aus dieser Sehnsucht heraus, so spontan wie möglich aus dem Alltag auszubrechen, gründete sich 1978 auch in Dessau ein Campingclub. MC Caravantouristik Dessau nannten und nennen sie sich.

2018 wird für die 79 Mitstreiter ein besonderes Jahr. Das 40-jährige Jubiläum steht vor der Tür. Der Vorsitzende Hans-Heiner Reppin ist ein alter Hase im Club. Nicht von Anfang an, aber seit 35 Jahren ist der heutige Ruheständler aus Kleutsch dabei.

Die Campinghistorie des 68-Jährigen steht exemplarisch für dieses besondere Lebensgefühl, flexibel zu sein und das Hotel immer dabeizuhaben. Reppin wollte so viel wie möglich von der Welt sehen. Also machte er mit Gleichgesinnten - so oft es ging - Campingurlaub im Zelt. „Das war toll, hatte aber besonders bei Regen einen Nachteil. Das Wasser kam vorne rein und hinten wieder raus“, blickt er etwas schmunzelnd zurück.

Wartezeit für Wohnmobil beinahe genauso lang wie die für ein Auto in der DDR

Was Besseres musste her - ein Wohnwagen oder ein Wohnmobil. „QEK“ und „Bastei“ hießen die Objekte, die in der DDR Campingfans zum Träumen brachten. „Darauf wartete man aber fast genauso lang wie auf ein neues Auto“, erzählt Reppin.

Er wollte nicht länger warten und begann, sich sein eigenes Campingmobil zu bauen. Einen rumänischen Kastenwagen, eine „Balkanziege“, baute der Ingenieur, der unter anderem als technischer Leiter im Dessauer Konsument-Kaufhaus arbeitete, in seiner Freizeit zu einem Wohnmobil um. Nach drei Jahren war das Werk dann vollendet.

Reppin fand den Weg in den Dessauer Caravanclub. Hier waren die Brüder und Schwestern im Geiste. Wenn es nicht in die Ferne ging, dann reichte auch schon ein Wochenende auf dem Campingplatz in Möhlau, um ein bisschen Freiheit zu genießen.

Mit Fahrten an Balaton kamen für die Reisenden auch Westkontakte zustande

Mit den Fahrten, vor allem an den Balaton, kamen auch die Westkontakte. West und Ost tauschten sich aus. Manch Westbürger war ungläubig, ob der ostdeutschen Kreativität, sich ein eigenes Wohnmobil zu bauen. Reppin stieß immer wieder an Grenzen. Redeten die einen davon, mit dem Wohnmobil zum Nordkap zu fahren, blieb das damals für ihn ein unerfüllbarer Traum.

Doch dann fiel die Mauer. Kein Ziel war mehr unerreichbar. Es ging nach München, an den Wolfgangsee, nach Holland, England, Frankreich und selbstverständlich auch ans Nordkap. Auch in Übersee, in Kanada, ist der Dessauer erst kürzlich gewesen. Dort lieh er sich ein Wohnmobil aus. Ein bisschen überdimensionierter als bei seinem einstigen Eigenbau und seinem aktuellen Hymer-Reisemobil ist da alles gewesen.

Doch was bleibt, ist egal auf welchem Kontinent, die Erkenntnis, dass auf ein paar Quadratmetern das Leben auch ganz schön sein kann. Reppin und seine Frau haben unterwegs alles, was sie brauchen.

Vorsitzender erklärt, warum er bevorzugt mit dem Wohnmobil unterwegs ist

Sie haben durchaus auch schon in Hotels ihre Urlaube verbracht. „Wenn man mit dem Wohnmobil unterwegs ist und an einem Ort gefällt es einem nicht mehr, dann zieht man einfach weiter“, erklärt Reppin, warum das Wohnmobil das erste Mittel der Wahl ist. Dieses Lebensgefühl teilt er noch heute gerne mit anderen, auch im Club.

Die Mitglieder des MC Caravantouristik Dessau sind mit ihrem Club alt geworden. Von einst 180 Mitgliedern vor der Wende sind noch 79 übrig geblieben. Der Altersdurchschnitt liegt bei 66 Jahren. Junge Mitglieder rücken nur selten nach.

Doch so lange es noch geht, wollen sie das Vereinsleben aufrecht erhalten. Dazu gehören in der Regel fünf Campingtreffen pro Jahr in Deutschland. In diesem Jahr steht vom 25. bis 27. Mai ein ganz besonderes Treffen auf der Agenda. Campingclubs aus ganz Deutschland sind dazu eingeladen , am Dessauer Flugplatz mitzucampen.

››Wer mitmachen möchte und in keinem Club organisiert ist, kann sich per Mail an [email protected] wenden. (mz)

Campertreffen des Vereins 2017 in Klöden bei Wittenberg.
Campertreffen des Vereins 2017 in Klöden bei Wittenberg.
Privat
Caravan-Treffen 1981 auf dem Zeltplatz in Möhlau.
Caravan-Treffen 1981 auf dem Zeltplatz in Möhlau.
Privat