Progromgedenken Progromgedenken: Verse gegen Dummheit und Verachtung

dessau/MZ - „Es fiel vom Himmel der David-Stern, der geleuchtet in goldener Pracht“, schrieb Eli Elkana in seiner Fassung des 137. Psalms. Nun wurde mit einer Lesung seiner Gedichte im Alten Theater Dessau der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 gedacht. Damit begann eine neue Reihe namens „Stadtgeflüster“, die künftig, so Dramaturg Andreas Hillger, Menschen vorstellen werde, die in der Stadt gewirkt hätten.
Eli Elkana, mit bürgerlichen Namen Georg Michelsohn, ließ sich 1911 als Zahnarzt in Dessau nieder.
Verknüpfung von Werk und Biographie
„Auf klapperdürren, fahlen Geisterrossen braust es an meinem Fenster dicht vorbei!“ Illi Oehlmann und Mario Klischies lasen die Verse, Mitglieder des Theaterjugendclubs trugen mit dem Werk verknüpft biografische Notizen vor. In den Schützengräben des Ersten Weltkrieges sah Elkana „die Reiter der Apokalypse rasen“. Der jüdische, deutsche Patriot wurde Pazifist und führte in seinen Sonetten (1922) atemlos scharfe Geschütze gegen den Krieg auf. Er veröffentlichte Gedichtbände wie „Sodom“, „Jeschurum“ oder „Der Traum von Wörlitz“ (1931). Letzterer erschien 2003 im Manuela Kinzel Verlag. Zur Schriftenreihe der Moses-Mendelssohn-Gesellschaft gehört „Eli Elkana“ (1995) von Werner Grossert. Michelsohns Tochter Irne White übergab 2001 Schriften des Vaters der Anhaltischen Landesbücherei. Nun sei Grossert im Besitz weiterer Schriften aus den Händen einer Enkelin.
Scharfe Worte gegen Nationalsozialisten
Wie ein scharfer Rufer in der Wüste der Menschenverachtung dichtete Elkana, der das Pseudonym, der „rächende Gott“, wohl nicht von ungefähr wählte, der einen Revolver bei sich trug und wie ein Prophet mit Wörtern schoss. In klassischer Form, hinter spätromantischer Firnis, mit expressivem Biss, immer Bilder der biblischen und talmudischen Tradition spiegelnd, setzte er Verse gegen Dummheit, Verachtung und Assimilation.
Über den Totenschädel der SS schrieb er, „… ein hohler Schädel, ein seltsames Symbol!“, und als ihn eine Frau öffentlich bedrohte: „Oh holde Thusnelda aus Bliemchen-Sachsen, die „das jüdische Schwein„ mit Bomben bedroht…“ Er lädt sie ein, nicht nur zu Kaffee und Wein, sondern auch in sein Bett, falls sie entsprechend gewachsen sei.
Ein Seitenblick zur Lesung verschärft den Ton. Bernd G. Ulbrich zitiert in „Antisemitismus in Dessau“ einen Aufsatz Michelsohns. Darin heißt es: „Aber noch nie in der Weltgeschichte hat es eine Partei gegeben, die so zur Kloake und Senkgrube wurde, wie die Hakenkreuzler-Horde.“ Klare Worte, die das „Volksblatt für Anhalt“ noch am 19. April 1932 druckte, wenige Tage vor dem Erfolg der NSDAP bei den anhaltischen Landtagswahlen. Bald standen Posten vor seiner Praxis in der Kavalierstraße 23, hinderten Patienten am Zutritt.
Ohne Mittel durch die Welt
Nach der Reichstagswahl 1933 ging er nach Prag: „Wie ein Heer von Betern stand Stein an Stein in weitem Kreise. Schutzbedürftig angelehnt“, heißt es im Gedicht „Auf dem Prager Judenfriedhof“. Ein Jahr später reiste er nach Palästina. Ohne Mittel, eine Praxis zu eröffnen, folgen Untermiete auf einem geschlossenen Balkon und Mittelstandsküche. Michelsohn rekonstruierte seine in Deutschland gelassenen, in Deutschland verbrannten Gedichte. Er schwärmte schwer für Wörlitz, entkleidete den alten Leopold; besang vor allem die Tradition der Väter: „Wo Königsadler horsten, dürfen Eulen / Von leeren Nestern nehmen nicht Besitz / Ich wand nur Blumenkränze um die Säulen, / Beschädigt durch Verwittrung oder Blitz!“