Pioniergeist wird belohnt Pioniergeist wird belohnt: Wohnhaus in Dessauer Gropiusallee mit Architekturpreis ausgezeichnet

Dessau-Roßlau - Zum Auftakt des diesjährigen Tags der Architektur haben die Stadt und die Stadtsparkasse nach 2013 und 2016 zum dritten Mal den Architekturpreis der Bauhausstadt Dessau verliehen. Der Spannungsbogen am Freitagabend in der Bauhausaula wurde weit gespannt. Zwei Stunden nach Veranstaltungsbeginn lüftete Ralf Schönemann, der Vorsitzende des städtischen Bauausschusses, nach zahlreichen Gruß- und Vorworten dann doch noch das Geheimnis um den Preisträger 2019.
Der mit 3.000 Euro dotierte „Bau-Oscar“ der Stadt geht an die Wohnungsgenossenschaft Dessau für das im vergangenen Sommer fertiggestellte Wohnhaus in der Gropiusallee 53-55.
Fast schräg gegenüber des Bauhausgebäudes in der Gropiusallee sind 25 neue Wohnungen entstanden. „Mit diesem Gebäude hat die Wohnungsgenossenschaft Pioniergeist bewiesen. Da wurde die Hartnäckigkeit belohnt Dinge gestalten und weiterentwickeln zu wollen“, lobte Schönemann im Namen der Jury den Architektur-Preisträger. „Mit diesem Neubau sind wir ins Risiko gegangen“, bestätigte Nicky Meißner, der Vorstandsvorsitzende der Wohnungsgenossenschaft, bei der Preisübergabe in der Bauhausaula.
Es sind vor allem die Plattenbauten, die am wenigsten nachgefragt werden und leer stehen
Denn in einer Stadt neue Mietwohnungen zu bauen, in der der Wohnungsmarkt durch ständigen Abriss konsolidiert wird, klingt erst einmal widersprüchlich. Doch im Detail betrachtet, geht die Rechnung doch auf. Der Dessau-Roßlauer Wohnungsmarkt ist sehr differenziert. Es sind vor allem die teils unsanierten Plattenbauten, die in der schrumpfenden Stadt am wenigsten nachgefragt werden und deshalb leer stehen.
Dem gegenüber steht ein vermehrter Bedarf von gut bezahlten Arbeitnehmern und Menschen mit hohen Renten, die nicht in Wohneigentum investieren wollen, aber gehobene Wohnansprüche haben. Für diese Zielgruppe baute die Wohnungsgenossenschaft Dessau innerhalb von 17 Monaten das Wohnhaus in der Gropiusallee 53 - 55. Noch in der frühen Bauphase waren die Mietverträge für alle 25, der 50 bis 110 Quadratmeter großen Wohnungen, unterschrieben.
Neun Euro beträgt hier der durchschnittliche Kaltmietpreis pro Quadratmeter, bei sonst fünf bis sechs Euro Kaltmiete im städtischen Durchschnitt. Dafür gibt es unter anderem Fußbodenheizung, Parkettboden, Aufzug, eine Tiefgarage und Barrierefreiheit. Rund fünf Millionen Euro wurden investiert.
Die Gestaltung des Gebäudes musste sich in das Umfeld des Bauhauses einfügen
Doch nicht nur unter wirtschaftlichen Aspekten war der Neubau ein anspruchsvolles Projekt. Vor allem auch die Gestaltung stellte die Genossenschaft als Bauherrin und die zuständigen Architekten vor Herausforderungen. In das Umfeld des Bauhausgebäudes musste sich der Neubau, der auf dem Grundstück eines abgerissenen Wohnhauses entstand, nicht nur einfügen, sondern möglichst die architektonische Moderne ein Stück weit weiterentwickeln.
In der Formensprache ist es reduziert und in der Gestaltung doch nicht so nüchtern, wie Neubauten im Bauhaus-Stil meist wirken. Die Vorderfassade ist in beige, kleinteiliger Klinkeroptik aufgelockert. Verschiebbare Schubläden an den Fenstern ersetzen Jalousien, die meist abweisend wirken können. Der in eine Seitenstraße abknickende Gebäudeteil ist abgerundet. Viele kleine Details erklärten der Berliner Architekt Tim Heide und Andreas Wermter, technischer Leiter der Wohnungsgenossenschaft, am Samstag zu einem Vorort-Termin in der Gropiusallee 53 - 55 im Rahmen des Tags der Architektur.
Tag der Architektur öffnete am Wochenende so manche Tür der Stadt
Heide betonte am Samstag noch einmal, was er auch schon am Freitag zur Preisverleihung feststellte. „Dieser Architekturpreis ist eine Teamarbeit. Nur aus dem guten Zusammenspiel des Bauherren und des Dessauer Architekturbüros Seelbach und Frohnsdorf, dass den Bau vor Ort umsetzte, konnten die architektonischen Ideen Realität werden“. Die rund 20 Interessierten konnten das Hauswartbüro, die Tiefgarage und das Treppenhaus besichtigen. Eine Wohnungsbesichtigung gab es dagegen nicht.
Woanders öffneten sich dagegen am Wochenende zum Tag der Architektur Türen, die sonst nicht geöffnet sind. So auch bei den beiden lobenden Erwähnungen der Fachjury - dem Neubau der Neuapostolischen Kirche und dem sanierten Wohnhaus der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft (DWG) in der Gropiusallee 72 - 74. (mz)
Alle drei Jahre vergibt eine Fachjury den Architekturpreis der Bauhausstadt Dessau für herausragende architektonische Projekte im Dessau-Roßlauer Stadtgebiet. Die Realisierung der eingereichten Beiträge musste diesmal im Zeitraum von Anfang 2016 bis Ende 2018 erfolgen. Für den Architekturpreis wurden acht Bewerbungen eingereicht.
Zu bewertende Objekte waren die Sport- und Therapiehalle des St.Joseph-Krankenhauses Dessau, das Wohnhaus Gropiusallee 53-55, die Neuapostolische Kirche, das Stadtbad Dessau, das Wohn- und Geschäftshaus in der Ebertallee 74, die Kavalierstraße, der Wohnblock in der Antoinettenstraße 34-38 sowie der Wohnblock in der Gropiusallee 72-74.
Beim ausgelobten Publikumspreis konnten Bürger über ihren Favoriten der acht eingereichten Bewerbungen abstimmen. Knapp 1.000 Stimmen wurden abgegeben. Der Publikumspreis geht an die Neuapostolische Gemeinde. 370 Teilnehmer favorisierten den Neubau des Gebäudes in der Kantorstraße 51. Auf den Plätzen zwei und drei folgen das Wohnhaus in der Gropiusallee 53-55 sowie der Wohnblock der Dessauer Wohnungsbaugesellschaft, Antoinettenstraße 34-38.
