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Feuertod in Dessauer Polizeizelle Oury Jalloh: Keine neuen Ermittlungen zum Feuertod des Asylbewerbers in Polizeizelle in Dessau - Beschwerde abgewiesen

Von Jan Schumann 29.11.2018, 14:46
Ein mit Sensoren, Schweinehaut und Fett versehener Dummy ist am 18.08.2016 in einem Raum im Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde nach einer Brandanalyse im Todesermittlungsverfahren des damals in Deutschland lebenden Sierra Leoner, Oury Jalloh, befestigt.
Ein mit Sensoren, Schweinehaut und Fett versehener Dummy ist am 18.08.2016 in einem Raum im Institut für Brand- und Löschforschung in Dippoldiswalde nach einer Brandanalyse im Todesermittlungsverfahren des damals in Deutschland lebenden Sierra Leoner, Oury Jalloh, befestigt. dpa-Zentralbild

Naumburg/Magdeburg - Der Fall des in einer Polizeizelle verbrannten Asylbewerbers Oury Jalloh wird nicht erneut aufgerollt. Das hat Sachsen-Anhalts Generalstaatsanwaltschaft in Naumburg nach fast einjähriger Prüfung entschieden. Wie die Behörde am Donnerstag mitteilte, wies sie die erhobene Beschwerde gegen die Einstellung des Ermittlungsverfahrens zurück.

Hinterbliebene Jallohs hatten weitere Untersuchungen verlangt, doch die Staatsanwaltschaft Halle hatte das Verfahren im Oktober 2017 eingestellt. „Ein Tatverdacht gegen benannte oder unbenannte Polizeibeamte des Polizeireviers Dessau oder gegen sonstige Dritte besteht nicht“, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag nach Auswertung aller Verfahrensakten mit. 

Oury Jalloh 2005 unter unklaren Umständen in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt

Der Asylbewerber aus Sierra-Leone war 2005 unter unklaren Umständen in einer Dessauer Polizeizelle verbrannt. Zwei Gerichtsprozessen konnten die Hintergründe des Todes nicht klären.

2017, fast 13 Jahre nach Jallohs Tod, hatte der Fall dann eine dramatische Wendung genommen: Der Chefermittler, Oberstaatsanwalt Folker Bittmann, hatte nach jahrelangen Untersuchungen die These verworfen, Jalloh habe sich selbst angezündet. Stattdessen verdächtigte Bittmann in einem internen Vermerk Polizisten, den Asylbewerber getötet zu haben. Dennoch stellte die Staatsanwaltschaft Halle den Fall später ein.

Ob dies nachvollziehbar war, hatte Generalstaatsanwalt Jürgen Konrad nun untersucht. „Im Ergebnis der Prüfung haben sich keine beweisbaren Anhaltspunkte ergeben, die eine Entzündung der Matratze durch Oury Jalloh ausschließen können und eine Entzündung durch Polizeibeamte oder durch Dritte belegen“, sagte er am Donnerstag.

„Er ist an den Folgen eines inhalativen Hitzeschocks verstorben, den er – zumindest nicht widerlegbar – selbst herbeigeführt hat. Beweistatsachen für eine Fremdtötung des Oury Jalloh oder gar für ein Mordkomplott sind nicht vorhanden“, so Konrad.

Jalloh war zum Todeszeitpunkt stark betrunken und Stand unter Kokaineinfluss

Demnach hätte der an Händen und Füßen gefesselte Jalloh selbst das Feuer in der Zelle gelegt. Er war zum Todeszeitpunkt stark betrunken und Stand unter Kokaineinfluss. Konrad sagte, nach der erneuten Prüfung von mehr als 120 Zeugenaussagen und aller Brandgutachten könne eine eigenhändige Entzündung der Matratze durch Oury Jalloh nicht ausgeschlossen werden. „Ein auf Tatsachen – und nicht nur auf Vermutungen – basierender Beweis für ein aktives Handeln Dritter, welches kausal zum Tode des Oury Jalloh geführt haben könnte, existiert nicht“, so Konrad. Ebenso sei die Unterstellung eines „institutionellen Rassismus“ aus der Luft gegriffen. Hinweise, dass Jalloh aus rassistischen Gründen getötet wurde, „liegen evident nicht vor“.

Die Linksfraktion in Sachsen-Anhalts Landtag kritisierte die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft. „Aus heutiger Sicht ist die Entscheidung schwer nachvollziehbar“, erklärte die Innenpolitikerin Henriette Quade. Die Begründung „passt in keiner Weise zu den Erkenntnissen, auf die die Staatsanwaltschaft Dessau sich bezogen hat und die sich den Brandgutachten und Experten-Einschätzungen entnehmen lassen“.

Linken-Innenpolitikerin Henriette Quade zweifelte an Rolle der Generalstaatsanwaltschaft

Zudem zweifelte Quade an der Rolle der Generalstaatsanwaltschaft: Es sei daran zu erinnern, „dass es eben der Generalstaatsanwalt war, der im letzten Jahr den Rechtsausschuss unzureichend und in Teilen falsch informiert hat“. Konrad habe damals im Landtagsausschuss „die Anfangsverdachtsmomente der Staatsanwaltschaft Dessau schlicht unter den Tisch fallen“ lassen und anders darstellte. So habe Konrad beispielsweise verschwiegen, dass der jahrelange Ermittler Bittmann einen Vertuschungsmord für möglich hielt – und zwar in Verbindung mit zwei früheren Todesfällen in Dessau.

Grünen-Innenpolitiker Sebastian Striegel sprach von einer „bitteren Stunde“ für Jallohs „Angehörige, Freunde und alle, die sich über 14 Jahre und gegen massive Widerstände für eine vollständige Erhellung der Todesumstände eingesetzt haben“. Der Tod eines Menschen in staatlicher Obhut sei eine Katastrophe. „Wir drängen darauf, dass das staatliche Handeln im Fall Oury Jalloh umfassend aufgearbeitet wird.“

Fall Oury Jalloh: Sonderberater können ihre Arbeit aufnehmen

Dazu hat der Landtag bereits zwei Sonderberater, Quasi-Sonderermittler, eingesetzt. Sie sollen in der politischen Aufarbeitung die Rolle der Behörden beleuchten. Dazu gehört die Frage, ob alle Ermittlungsansätze verfolgt wurden und ob Behörden bei ihrer Aufklärungsarbeit beeinflusst wurden. Zu klären ist auch, ob die Verfahrenseinstellung der Staatsanwaltschaft Halle juristisch nachvollziehbar war und ob das Parlament stets wahrheitsgemäß und vollständig informiert wurde. Für diese Arbeit verpflichtete das Parlament zwei Top-Juristen: Den Rechtsanwalt Jerzy Montag (Grüne) und den ehemaligen Generalstaatsanwalt Manfred Nötzel. Mit dem Ende der Prüfung in Naumburg könnten sie nun ihre Arbeit aufnehmen – realistisch wird dies zum Jahresbeginn 2019 geschehen.

Der CDU-Rechtsexperte Jens Kolze sagte mit Blick auf das beendete Verfahren: „Der Umfang der erneuten Befassung mit einem bereits in mehreren Instanzen ausgeurteiltem Vorgang ist in Sachsen-Anhalt einmalig“. Weitere Ermittlungen mit dem Ziel der Anklageerhebung einzelner Verantwortlicher würden als aussichtslos eingestuft. Kolze hatte in der Vergangenheit wiederholt vor einer „Hetzjagd gegen Polizisten“ gewarnt. „Mutmaßungen und Verschwörungstheorien kann man nicht verbieten“, sagte er am Donnerstag. Mit Blick auf die langjährigen Ermittlungen stehe nun „die Frage des Rechtsfriedens und der Integrität von Rechtsstaatsinstitutionen im Raum“.

Der AfD-Rechtspolitiker Mario Lehmann begrüßte die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft am Donnerstag. Er hoffe, „dass dieses Kapitel damit endgültig abgeschlossen ist“. Er sprach von einem „hysterischen Generalverdacht der Linken“ gegen die Polizei und einer „Instrumentalisierung“ des Falls. (mz)