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Ermordete Studentin Mordprozess im Fall Yangjie Li: Beste Freundin des Opfers sagt aus

Von Lisa Garn 20.02.2017, 20:00
Yangjie Li war eine talentierte Architektur-Studentin, die handwerklich begabt war.
Yangjie Li war eine talentierte Architektur-Studentin, die handwerklich begabt war. Polizei

Dessau - Die Erlebnisse gehen ihr bis heute nahe. Wie sie mit dem Verlust zurecht gekommen ist, will die Richterin wissen. „Schwer“, lässt die kleine zierliche Frau übersetzen. „Ich war sehr bedrückt. Zum Glück hatte ich gute Freunde, mit denen ich über meine Gefühle reden konnte.“ Dann versagt die Stimme.

Die junge Chinesin hat am Montag im Mordprozess Yangji Li als einzige Zeugin vor dem Landgericht Dessau ausgesagt. Sie war eine Kommilitonin und die beste Freundin der in Dessau getöteten Studentin.

Enge Freundschaft zur in Dessau ermordeter Studentin Yangjie Li seit 2014

Die 31-jährige Architektin ist für den 16. Prozesstag extra aus China eingeflogen, sie arbeitet dort als selbstständige Architektin. Sie spricht leise, eine Freundin von ihr sitzt mit im Zuschauerraum, eine Dolmetscherin übersetzt die Aussagen. Die enge Freundschaft der beiden Studentinnen begann Ende 2014 in Dessau.

Die Zeugin beschrieb Yangjie Li als sehr nette junge Frau, offen und hilfsbereit gegenüber Freunden. „Ein normales, typisches chinesisches Mädchen.“ Yangjie Li habe Sport geliebt und sei sehr fleißig im Studium gewesen. Sie sahen sich oft, manchmal täglich, kochten und aßen zusammen, verbrachten ihre Freizeit gemeinsam. „Sie hat fast jeden Tag mit ihrer Heimat telefoniert“, sagte die Zeugin.

Yangjie Li sprach kaum Deutsch, war schüchtern

Kontakt hatte Yangjie Li, die ebenfalls Architektur an der Hochschule Anhalt studiert hatte, vor allem zu chinesischen Kommilitonen und weniger zu Einheimischen. „Eine Unterhaltung auf Deutsch war im Prinzip kaum möglich“, schilderte ihre Freundin.

Mehrere Nachfragen hatte die Richterin zur Persönlichkeit von Yangjie Li: Wie sie auf Unbekannte reagiert habe, ob sie sich auf Unterhaltungen eingelassen habe. Die Zeugin beschrieb ihre Freundin als zurückhaltend und schüchtern gegenüber Fremden. Auch Unterlagen hatte sie am Montag mitgebracht, in denen ehemalige Mitstudenten ihre Gedanken und Erinnerungen an Yangjie Li schildern - auch ohne Aussage.

Letztes Treffen nur wenige Stunden vor dem Tod der Studentin Yangjie Li in Dessau

Am Tag ihres Verschwindens am 11. Mai hatten sich die beiden noch am frühen Abend bei Kaufland getroffen. Man unterhielt sich über Lebensmittel, über Süßkartoffeln und Honig. Danach wollte Yangjie Li allein joggen gehen. Es war das letzte Treffen der Freundinnen. Für das Verbrechen selbst findet die Zeugin keine Worte. Ihre Übersetzerin spricht in diesem Zusammenhang von „dieser Sache“.

Noch in der Nacht auf den 12. Mai hatte sie eine Nachricht von einem WG-Mitbewohner erhalten, dass Yangjie Li nicht nach Hause gekommen sei. Am nächsten Tag schrieb die Zeugin an ihre beste Freundin und wollte sie zum Frühstück einladen - doch es kam keine Antwort. „Nach einer Stunde wurde ich unruhig“, sagte sie vor Gericht.

Auch der Mitbewohner meldete sich noch einmal. „Ich bin dann zu ihr gegangen. Sie hatte ihren Einkauf in der Küche abgestellt. Es sah so aus, als ob sie gleich wieder kommt. In ihrem Zimmer lagen Kleidungsstücke. Mein Gefühl war, dass sie sich eilig umgezogen hatte und dann raus gegangen ist.“

Mordprozess in Dessau: Angeklagte Xenia I. lockte chinesische Studentin Yangjie Li ins Haus

Yangjie Li war am Abend des 11. Mai vor der Johannisstraße 7 von der Angeklagten Xenia I. angesprochen und ins Haus gelockt worden. Hinter der Tür soll Sebastian F. gewartet haben, der die junge Chinesin anschließend schwer misshandelt und missbraucht haben soll. Yangjie Li starb Stunden später und wurde am 13. Mai hinter dem Haus unter einer Konifere gefunden.

Sebastian F. und Xenia I., die sich inzwischen von ihrem Freund getrennt hat, wird gemeinschaftlicher Mord und Vergewaltigung vorgeworfen. Er blickte während der Verhandlung am Montag kaum auf, blätterte in den Akten. Seine Ex-Freundin besprach sich wiederholt mit ihrer Verteidigerin.

Hatte die chinesische Studentin Yangjie Li keinerlei sexuelle Erfahrungen?

Regungslos blieben sie auch bei Nachfragen der Staatsanwältin zu möglichen Beziehungen der Studentin. Die Zeugin erklärte, dass Yangjie Li keinen Freund in Dessau hatte und auch keine sexuellen Erfahrungen gehabt habe. Die Angeklagten hatten bei ihrer Verhaftung behauptet, die Chinesin habe sich am Tag vor der Tat freiwillig für Sex zu dritt getroffen.

Die Freundinnen hatten Zukunftspläne geschmiedet, erklärte die Zeugin. Yangjie Li soll gesagt haben, dass sie weiter studieren wolle und dafür auch Holland in Frage komme. „Sie mochte die Atmosphäre dort“, so die Zeugin. Sie hatte nach dem Tod von Yangjie Li auch Kontakt zu deren Eltern. Wie es ihnen gehe, wollte die Richterin wissen. „Sie sind sehr traurig. Sie erwarten und hoffen, dass diese Sache gerichtlich beurteilt wird.“

Prozess wird am Dienstag fortgesetzt

Am Ende eines kurzen Verhandlungstages hat Richterin Uda Schmidt weitere Akten verteilen lassen. Darin sind Erkenntnisse zu den Nachermittlungen zusammen getragen, die die Staatsanwaltschaft nach dem Teilgeständnis der Angeklagten Xenia I. angeordnet hatte. Unter anderem wurden Mülltonnen aus dem Haus in der Johannisstraße abgeholt und Hörtests durchgeführt.

Zudem hat das Bundeskriminalamt die drei Handys der Angeklagten Sebastian F. und Xenia I. „physikalisch ausgelesen“, so Schmidt. Die Daten werten nun das Landeskriminalamt und die Polizeidirektion aus. Die Nebenklage hatte dies im Dezember beantragt, weil die Handys aufgrund technischer Begrenzungen nicht vollständig in Sachsen-Anhalt hätten ausgelesen werden können. Unter anderem betraf dies gelöschte Daten.

Der Prozess wird am Dienstag fortgesetzt. Als Zeuge vorgeladen ist auch der leibliche Vater des Angeklagten Sebastian F., der wie der Stiefvater Polizeibeamter ist. (mz)

Der Angeklagte Sebastian F. am 16. Verhandlungstag vor dem Landgericht in Dessau.
Der Angeklagte Sebastian F. am 16. Verhandlungstag vor dem Landgericht in Dessau.
Lutz Sebastian
Im gelben Haus lebte Yangjie Li in einer WG. Unter der Konifere wurde sie am 13. Mai gefunden.
Im gelben Haus lebte Yangjie Li in einer WG. Unter der Konifere wurde sie am 13. Mai gefunden.
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Die Angeklagte Xenia I.
Die Angeklagte Xenia I.
Lutz Sebastian