Mordprozess in Dessau Mordfall Yangjie Li: Wer darf in den Gerichtssaal 118 am Landgericht Dessau?

Dessau - Der Saal 118 ist der größte Saal des Dessauer Landgerichts - und trotzdem zu klein. Wenn am Freitag, 25. November, der Prozess im Mordfall der chinesischen Studentin Yangjie Li startet, steht das Gericht vor einer schwierigen Aufgabe: Wie geht man um mit dem riesigen öffentlichen Interesse an der Verhandlung gegen ein junges Paar aus Dessau, dem gemeinschaftlicher Mord vorgeworfen wird?
Gerichtsverhandlung muss grundsätzlich öffentlich sein
Die formal-juristische Antwort darauf ist eine „Sitzungspolizeiliche Anordnung“, die Richterin Uda Schmidt am Mittwoch erlassen hat und die regelt, wer nächsten Freitag wie in den Gerichtssaal darf. „Eine Verhandlung hat grundsätzlich öffentlich zu sein“, sagt Frank Straube, Sprecher des Landgerichts Dessau. „Wird das nicht beachtet, ist es ein absoluter Revisionsgrund, egal, wie viel Mühe sich das Gericht gegeben hat.“
Und doch sind Grenzen gesetzt. In den Räumlichkeiten des Gerichts. „Wir müssen für eine Verhandlung nicht in den Hörsaal des Umweltbundesamtes ziehen, nur weil wir 250 Zuhörer erwarten“, sagt Straube. „Es gibt keinen Anspruch auf einen Sitzplatz.“
Yangjie Li-Prozess: So viele Plätze sind für Medien reserviert
Wie immer im Recht gibt es aber besondere Regelungen. Die betreffen die Medien. Die sind natürlich Teil der Öffentlichkeit, ihr Zugang zu Gerichtsverhandlungen ist aber durch die Grundrechte auf Informations-, Presse- und Rundfunkfreiheit besonders geschützt. „Das gibt dem Richter des Recht, Plätze für die Presse zu reservieren“, sagt Straube.
Wie viele, das liegt im Ermessensspielraum. Das Maximum wird bei 50 Prozent gesehen. Dessau bleibt knapp darunter. 60 Besucherplätze bietet der Saal 118 im Landgericht. Seit Mittwoch sind 28 für Presse, Rundfunk und Fernsehen reserviert. 32 andere Plätze werden mit dem Einlass in das Landgericht eine Stunde vor Prozessbeginn vergeben.
Warum sich Sitzplatzvergabe im Yangjie Li-Prozess an dem Münchner NSU-Prozess orientiert.
Nach dem Fall Oury Jalloh und dem Litauer-Prozess nach dem Mord an einem Münchner Informatiker ist es in Dessau zum dritten Mal, dass sich so viel Presse angekündigt hat. Die Vergabe ist kompliziert - und muss sich an dem im Mai 2013 gestarteten Münchner NSU-Prozess orientieren. Der hat für einen Präzedenzfall gesorgt - und für ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts.
Das Oberlandesgericht München hatte 2013 die 50 Plätze für Journalisten im Windhundverfahren vergeben. Wer sich zuerst angemeldet hatte, erhielt einen Platz.
Vor allem ausländische Medien fühlten sich davon aber benachteiligt. Acht der zehn Mordopfer waren türkischer Herkunft. Türkische Medien waren jedoch außen vor geblieben. Die türkische Tageszeitung „Sabah“ hatte damals einen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gegen die Sitzplatzvergabe gestellt, dem stattgegeben wurde.
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe urteilte, das Gericht habe eine angemessene Zahl von Sitzplätzen für ausländische Medien „mit einem besonderen Bezug zu den Opfern der angeklagten Straftaten zur Verfügung zu stellen“. Dies könne entweder durch die Ergänzung von mindestens drei Sitzplätzen oder ein neues Akkreditierungsverfahren realisiert werden.
NSU-Prozess musste wegen Akkreditierungsverfahren um drei Wochen verschoben werden
Das Oberlandesgericht musste damals den NSU-Prozess drei Wochen verschieben - und startete ein neues Akkreditierungsverfahren. Die fünfzig Plätze wurden in drei Kategorien verlost: fünf für in- und ausländische Nachrichtenagenturen, zehn für fremdsprachige Medien und deutschsprachige Medien mit Sitz im Ausland und 35 für deutschsprachige Medien mit Sitz im Inland.
927 Medien hatten sich um einen Platz bei dem Prozess beworben. 324 gingen am Ende in die Verlosung der 50 Plätze, die natürlich auch Verlierer hatte: Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, die „Welt“ und die „Zeit“ blieben außen vor - und mussten Pool-Lösungen bilden: Journalisten berichteten dann für mehrere Zeitungen.
Auch chinesische Journalisten begleiten Yangjie Li-Prozess
Das Landgericht Dessau hat sich für die Plus-3-Regelung entschieden - und drei Plätze für chinesische Journalisten reserviert. Zwei hatten zuvor Interesse angemeldet. Wie viele andere Journalisten nächsten Freitag nach Dessau kommen wollen, ist offen. „Nach einem ersten Interessenbekundungsverfahren hätten alle Plätze gereicht“, sagt Straube. Was nun passiert, müsse man sehen. Freitag, 8 Uhr, beginnt das Windhundrennen.
Dessau und Fall Yangjie Li-Prozess stehen ab Freitag deutschlandweit im Mittelpunkt
Klar ist: Dessau und der Prozess werden ab Freitag deutschlandweit im Mittelpunkt stehen. Zum Auftakt wird es um Formalien gehen. Zeugen sind noch nicht geladen. 19 Verhandlungstage sind bis Februar 2017 angesetzt, um zu klären, was genau zwischen dem 11. und 13. Mai dieses Jahres passiert ist.
Die 25-jährige Yangjie Li war damals joggen gegangen - und nicht zurückgekehrt. Ihre Leiche wurde zwei Tage später 30 Meter von ihrer Wohnung entfernt gefunden. Vergewaltigt und massiv misshandelt. Die beiden Tatverdächtigen, ein inzwischen 21-jähriger Mann aus Dessau und seine 20-jährige Freundin, wurden ein paar Tage später verhaftet. Beide sitzen bis heute in Untersuchungshaft. (mz)
