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Per Flieger aus Norditalien Matveys Überlebenskampf - DRK Dessau bringt schwer kranken ukrainischen Jungen nach Halle

Das DRK in Dessau hat dem kleinen Matvey geholfen, in die Uniklinik Halle zu kommen. Der Junge leidet an einer seltenen Muskelschwund-Krankheit. Für die extrem teure Behandlung läuft eine Spendensammlung.

Von Danny Gitter Aktualisiert: 09.06.2022, 09:43
Matvey  ist schwer krank und wurde aus der Ukraine mit einem Spezialflugzeug nach Sachsen-Anhalt geholt.
Matvey ist schwer krank und wurde aus der Ukraine mit einem Spezialflugzeug nach Sachsen-Anhalt geholt. Foto: SMA-Helden Deutschland.

Dessau/MZ - Die Geburt ihres Sohnes Matvey am 11. Juni 2021 im zentralukrainischen Pavlograd sollte für die jungen Eltern Lena (19) und Nikita (24) das Familienglück perfekt machen. Doch es kam alles ganz anders.

Ärzte diagnostizierten bei dem Säugling im Alter von zwei Monaten eine spinale Muskelatrophie (SMA). Unbehandelt verläuft diese seltene Muskelschwund-Krankheit, von der im Schnitt einer von 7.000 Menschen betroffen ist, in der Regel tödlich.

Doch mit diesem Schicksal wollen sich die jungen Eltern nicht abfinden. Hilfe haben sie nun vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) in Dessau erhalten, das den lebensrettenden Transport des Kindes aus dem Kriegsland nach Sachsen-Anhalt organisierte.

Ohne Behandlung stirbt Matvy in den ersten zwei Jahren

Ausgerechnet an der schlimmsten Form der Erkrankung, dem SMA Typ 1, leidet der Junge. Freies und aufrechtes Sitzen ist für Betroffene meist kaum möglich. Ohne entsprechende Behandlung tritt mit großer Wahrscheinlichkeit in den ersten beiden Lebensjahren der Tod durch Infektionen oder Ateminsuffizienz ein. „Es ist also ein regelrechter Wettlauf gegen die Zeit“, stellt Ralf Zaizek, der Geschäftsführer des Dessauer DRK-Kreisverbandes, fest.

Die Krankheit war und ist für die jungen Eltern und ihren Sohn eine Odyssee, die in den letzten Monaten von der Zentralukraine, über Italien nach Dessau-Roßlau und Halle führte. Recht schnell nach der Diagnose stand fest, dass es in der ukrainischen Heimat kaum wirksame Behandlungsmöglichkeiten gibt. Eine Klinik in Norditalien wird den jungen Eltern empfohlen. Sie klammern sich an diesen Strohhalm, schicken Mutter und Kind dorthin.

Die Eltern (Mitte) machten zusammen mit dem DRK auf ihre schwierige Situation aufmerksam.
Die Eltern (Mitte) machten zusammen mit dem DRK auf ihre schwierige Situation aufmerksam.
Foto: DRK Dessau

Der Vater versucht währenddessen, Geld für die Behandlung und den Lebensunterhalt seiner jungen Familie in der Fremde aufzutreiben. Sein Jura-Studium legt er auf Eis. In Polen bekommt er zunächst einen Job. Bekannte und Freunde helfen ihm später, eine noch besser bezahlte Arbeit bei einem Dessauer Schaltschrankbau-Unternehmen zu bekommen. Seit einigen Monaten arbeitet der Ukrainer schon dort und hat mit rund 12.000 Euro schon eine kleine Summe angespart.

Erste Behandlungsversuche in Italien erweisen sich als nicht vielversprechend

Doch Matvey und seine Mutter sind noch in Italien. Die klinische Behandlung dort erweist sich als nicht so vielversprechend, wie zunächst erhofft. Eine Fortsetzung in Deutschland wird empfohlen. Die Uniklinik Halle erklärt sich zwar bereit, den Jungen aufzunehmen und zu behandeln. Die Eltern stehen jedoch vor einem Problem. Über 1.100 Kilometer liegen zwischen Venedig und Halle.

Ihr Sohn ist in einem so kritischen Zustand, dass ein bis zu sechzehnstündiger Transport mit dem Rettungswagen keine Option ist. Die einzige Alternative ist eine Überführung in einem medizinisch optimal ausgestattetem Flugzeug. Kostenpunkt rund 19.500 Euro für den rund einstündigen Flug.

Der Transport erfolgte in einem  Flugzeug der DRF Luftrettung.
Der Transport erfolgte in einem Flugzeug der DRF Luftrettung.
Foto: SMA-Helden

Da schaltet sich der DRK-Kreisverband in Dessau ein. „Nach einer Präsidiumssitzung und mehreren Telefonaten stand für uns fest, dass wir helfen können“, sagt Zaizek. Der Geschäftsführer bekommt von seinem Präsidium grünes Licht, in Vorkasse zu gehen. „Da mussten wir nicht lange zögern. Zumal der Zustand des Jungen schon sehr kritisch war“, erzählt Eiko Adamek, der Präsident des hiesigen DRK-Kreisverbandes. Durch eine Spendenaktion sollen die 19.500 Euro später wieder refinanziert werden.

Gebrauchtes Medikament für Matvey ist extrem teuer - Eine Spendensammlung läuft

Schon am 7. Mai wurde der schwerkranke Matvey von Venedig nach Leipzig geflogen und dann nach Halle gebracht. Die Ärzte dort haben den Zustand stabilisiert. Trotzdem steht ihm und seinen Eltern noch ein großer Kampf bevor. Eine Therapie mit dem Medikament „Zolgensma“ könnte den Muskelschwund ein Leben lang stoppen. Allerdings kostet eine Behandlung damit fast zwei Millionen Euro. Alternative und preiswertere Medikamente, die in der Regel von den Krankenkassen bewilligt werden, verlangsamen den Verfallsprozess nur und führen trotzdem zum Tod in jungen Jahren.

Die Eltern möchten die bestmögliche Behandlung für ihren Sohn. Eine Privatinitiative, die sie unterstützt, hat schon über 100.000 Euro dafür an Spenden eingesammelt. „Wenn alles gut geht, dann haben wir drei Menschen, die sich in unserer Stadt eine Zukunft aufbauen können“, so Zaizek.

Öffentlich in Erscheinung treten wollen die Eltern vorerst nicht. Beim DRK hat man dafür Verständnis. „Sie brauchen die volle Kraft, um für ihr Kind da zu sein. Da wollen wir sie schützen und unterstützen“, sagt Zaizek.