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Literatur Literatur: Männer nur als Lustobjekt

Von Thomas Altmann 22.05.2002, 16:15

Dessau/MZ. - "Wenn sie ein Mann sind, können Sie gleich wieder auflegen, wenn Sie eine Frau sind, sprechen Sie...". Wer solches liest, greift einigermaßen gespannt zum Telefonhörer. Doch aus der Kluft zwischen Dichtung und Wahrheit gähnt eine gekaufte Stimme. Der Anrufbeantworter von Sybille Freitag spult im wahren Leben einen unverfänglichen Standarttext.

In ihrem ersten, gerade im Verlag Neue Literatur erschienen Buch "Weibsstücke" piekst die Dessauer Autorin, Jahrgang 1963, lustvoll und ebenso parteiisch ins Rollenspiel der Geschlechter. Barocke Ansagen, die auf keinen Anrufbeantworter passen und jeden potentiellen, männlichen Anrufer verprellen, treten zwischen die "Weibsstücke". Dabei fließt die Sprache ohne zu holpern, ist frisch, unkompliziert und gewollt ungerecht. Manch ein saloppes Synonym aus der Medien- und Werbewelt rutscht quasselnd ins allzu Umgangssprachliche. Das literarische Genre der "Weibsstücke" gehört offenbar zur bissigen Kurzprosa, deren spitzer Blick auf handgestrickte Alltäglichkeiten von geschlechtlich determinierten Opfern der Belustigung lebt.

"Beim Staubsaugen habe ich die besten Ideen." Das klingt nach Rache und ist doch ein Spiel zwischen Spaß und Ernst. Sybille Freitag legt den Finger satirisch "neben die Wunde", aus der nicht unbedingt lila Blut fließt. Im Babyjahr habe sie angefangen zu schreiben: "Kinder machen kreativ." Nur wundert es ein wenig, dass ausgerecht ihr Mann sie ermutigte, einen Verlag anzuschreiben. Schließlich gehört auch er zur Gattung Bier trinkender Schweißfüßler, deren literarisches Interesse sich auf Sexzeitungen beschränken solle.

Drei Verlagen hat sie geschrieben und prompt zwei Zusagen erhalten. Das ist überdurchschnittlich, wie der Hohn, der am Postament der Männlichkeit nagt. Trotzdem können dieses Buch Angehörige beiderlei Geschlecht lesen. Frauen dürfen lachen (man muss ja nicht kreischen sagen). Männer brauchen trotzdem keinen Therapeuten. Aber dieses Phänomen bedarf der Kritik - vieles bleibt, so unterhaltsam es auch sein mag, trotz oder wegen aller Leichtigkeit und Überspitzung völlig unverfänglich.

Wenn man etwa hört, dass ein Exemplar der viel beschimpften Gattung permanent Bananen, Zwiebeln und Salami konsumiert, überkommt einem schon beim Lesen ein leichter Anflug von Übelkeit. Aber kaum ein Leser wird sich freiwillig mit diesem Schimpansen auf Irrwegen identifizieren. Die Leserin darf sich trotzdem über die markante, praktische Hilflosigkeit des von der Evolution vernachlässigten Artgenossen freuen. Dabei bliebe noch zu klären, ob derart kulinarische Perversionen typisch männlich sind.

Egal. Ein Text handelt von femininen Fehlleistungen am Lenkrad und bildet so etwas wie ein hysterisches Quotenstück, weil es vortrefflich männliche Klischees bedient. Sonst ähneln die Heldinnen den Gestalten von Erziehungs- und Entwicklungsromanen. Beatricia wehrt sich nach zehn Jahren gegen die männliche Omnipotenz über den ehelichen Speiseplan. Rosamunde "entsorgt" ihren Bier trinkenden Gemahl. Am Ende ist sie auch mit einem selten anzutreffenden, beschürzten Exemplar nicht eben glücklich und bleibt allein mit Purzel - dem Kater. Eine andere lernt tapezieren und wieder eine lernt, sich dem turnusmäßigen Zugriff des Geliebten zu entziehen.

Die Männerwelt dagegen bleibt statisch und weniger elastisch als eine geleerte Bierdose, aber ähnlich deformiert wie manch eines dieser benutzten Behältnisse. "Also, nun noch mal von vorn. Männer, Hände weg vom Telefon..." Na gut!

Sybille Freitag, "Weibsstücke", Verlag Neue Literatur Jena, ISBN 3-934141-30-7, 138 S., 7,90 Euro