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Auf Abschiedstour Letztes Leopoldsfest in Dessau - Klaus Brucker blickt zurück auf über zwei Jahrzehnte als „Alter Dessauer“

Nach zwei Jahren Corona-Zwangspause bleibt der Auftritt des Alten Dessauers fast nur eine Randnotiz. Was soll als neues Format dem Leopoldsfest folgen?

Von Silvia Bürkmann Aktualisiert: 04.07.2022, 12:26
Die Hoheiten flanieren durch die Stadt.
Die Hoheiten flanieren durch die Stadt. (Foto: Ruttke)

Dessau/MZ - Wie es ihm geht auf der Abschiedstour? „Ich bin vorbereitet, mir gehts gut.“ Eine leichte Plauderei scheint ein Ding der Unmöglichkeit, wenn Klaus Brucker in Uniform, Dreispitz und Stiefeln des preußischen Generalfeldmarschalls im 18. Jahrhundert steckt. Die markante Stimme hallt auch ohne Verstärker ein Stück über den Platz. Der 346. Geburtstag am Sonntag soll vorerst der letzte gewesen sein, mit dem in Dessau an einen der berühmtesten Söhne der Stadt erinnert wurde: Fürst LeopoldI. von Anhalt-Dessau, den Alten Dessauer. Dargestellt von Klaus Brucker.

Von 2004 bis 2019 feierte Dessau sein Stadtfest Anfang Juli als „Leopoldsfest“. Das dreitägige Historienspektakel auf Straßen, Plätzen oder im Stadtpark-Biwak fand mit seinem Namengeber Fix- und Glanzpunkt sowie Publikumsliebling gleichermaßen. Wo immer der Alte Dessauer auftauchte, ob nun mit seinem Hofstaat oder den Langen Kerls der Potsdamer Riesengarde war Trubel und Party.

Der Alte Dessauer mit Hofstaat, Gefolge  und der Riesengarde „Lange Kerls“ kurz vor der Abfahrt nach Wörlitz.
Der Alte Dessauer mit Hofstaat, Gefolge und der Riesengarde „Lange Kerls“ kurz vor der Abfahrt nach Wörlitz.
(Foto: Thomas Ruttke)

Nicht allein Corona zog mit Zwangspausen den Schlussstrich für das Leopoldsfest

Nicht allein Corona zog mit Zwangspausen den Schlussstrich. „In den letzten Jahren schon hatte das Fest seinen Schwerpunkt verschoben und das Gesicht gewandelt“, beschreibt Brucker die Abkehr von anhaltischer Militär- und Landesgeschichte hin zur höfischen Einzeldarstellung. „Lustlager statt Heerlager - ist nicht meins“, bricht sich das als poltrig und grobschlächtig beschriebene historische Alter Ego Bahn.

Ein Zufall? Brucker schüttelt den Kopf. „Ich glaube, es steckt charakterlich ein Stück Leopold in mir. Immer geradezu und klar heraus mit der Sprache.“ Der aus dem Fränkischen stammende und jetzt im Brandenburgischen lebende Brucker hat sich lange Zeit und intensiv mit seiner Rolle auseinandergesetzt und sich in alle Literatur vertieft, deren er habhaft werden konnte. Und neben dem militärischen Leopold I. auch den Landesvater erschlossen.

Nach über zwei Jahrzehnten hängt der Alte Dessauer seinen Waffenrock an den Nagel

Klaus Brucker hatte 1997 Kontakte nach Dessau geknüpft, trat hier zum ersten Mal zu einer Ausstellung zum 250. Todestag des Fürsten Leopold I. als Alter Dessauer im Mosigkauer Schloss in Erscheinung. In voller Montur. Im Rokokoschlösschen seiner Lieblingstochter Anna Wilhelmine von Anhalt-Dessau hängt in der prachtvollen Gemäldesammlung auch sein Abbild in Öl auf Leinwand. Gemalt 1741 von Georg Lisiewski in ganzfiguriger Lebensgröße. Im Feldrock mit Kniestiefel und Degen, den Marschallstab in der Rechten. „Ein älteres Ehepaar betrachtet sich das Gemälde. Ich stellte mich leise hinter sie“, erzählt Brucker mit Schalk in den Augen. Und als sich die Frau umdrehte und Brucker erblickte, habe sie ihrem Mann zugeraunt: „Du, da ist er.“

Wenn nach über zwei Jahrzehnten der Alte Dessauer seinen Waffenrock an den Nagel hängt, ist Bedauern dabei. „Einerseits hatte ich es ja angekündigt. Der Alte Dessauer starb mit 71 und ich bin jetzt 72, da muss mal Schluss sein“ sagt Klaus Brucker. Das erhoffte große Finale wurde 2021 pandemiebedingt abgesagt. Und mittlerweile suchen sowohl der Förderverein als Veranstalter des Leopoldsfestes als auch die Stadt Dessau-Roßlau selbst nach einem neuen Format für ein Stadtfest.

„Mit dem Leopoldsfest hatte Dessau ein Alleinstellungsmerkmal“

Ob überhaupt und in welcher Form der Alte Dessauer da noch eine Rolle spielen kann, ist unklar. „Mit dem Leopoldsfest hatte Dessau ein Alleinstellungsmerkmal.“ Dies nun aufzugeben, bedauert Brucker ausdrücklich und bekundete am Freitagabend auf dem Marktplatz, auch weiter ansprechbar zu bleiben, „wenn man mich braucht“. Weiß aber, dass es immer schwerer fällt, aktive Mitstreiter zu finden. „Denn es steckt unheimlich viel Arbeit dahinter.“

Also werden die Enthusiasten alt, die jungen Leute aber sehen andere Lebensinhalte. Vereinsarbeit bleibt auf der Strecke. So fand die Potsdamer Riesengarde „Lange Kerls“ zum Stadtfest in Königswusterhausen Ende Juni bei der Nachwuchswerbung drei Interessen. „Wenn davon jetzt einer bei uns einsteigt, sind wir froh“, hofft Vereinschef Gerd Köhler.

Die Tidetones lassen es beim kleinen  Leopoldsfest krachen.
Die Tidetones lassen es beim kleinen Leopoldsfest krachen.
(Foto: Ruttke)

Abfahrt der Paradiesvögel

„Sammeln und Abmarsch!“ Der Alte Dessauer übernimmt lautstark wieder das Kommando. Ein Ausflug nach Wörlitz mit Gondelfahrt und Flanieren im Park gehört zu den fürstlichen Lustbarkeiten am Sonnabend. Ins historische Gewand zu schlüpfen dauert für Klaus Brucker nach eigenen Worten etwa 20 Minuten. Die Damen brauchen länger, um sich Mieder schnüren und ins Kostüm helfen zu lassen, bis Haar und Perücke frisiert und die Nase gepudert ist. Um dann aufzubrechen wie ein Schwarm Paradiesvögel aus fernen Ländern und Zeiten.

Dessauer von heute feiern derweil ihr kleines Stadtfest in der Sommerlounge auf dem Markt.