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Kraftakt für wenige Prozent Kraftakt für wenige Prozent: Mehrwertsteuersenkung ist Herausforderungen für Firmen in Dessau-Roßlau

Von Heidi Thiemann 02.07.2020, 14:38
Das Kassen-System für die Mehrwertsteuersenkung ist umgestellt, neue Preisschilder gibt es im Einzelhandel bei „Eisen-Maenicke“ für ein halbes Jahr aber nicht. Der Aufwand, sagt Chefin Kathrin Lehnert - hier mit ihren Mitarbeitern Andreas Hansee (l.) und Nico Zelt (r.) - ist einfach zu groß.
Das Kassen-System für die Mehrwertsteuersenkung ist umgestellt, neue Preisschilder gibt es im Einzelhandel bei „Eisen-Maenicke“ für ein halbes Jahr aber nicht. Der Aufwand, sagt Chefin Kathrin Lehnert - hier mit ihren Mitarbeitern Andreas Hansee (l.) und Nico Zelt (r.) - ist einfach zu groß. Thomas Ruttke

Dessau-Roßlau - „Wahnsinn“, sagt Kathrin Lehnert und auch: „Das lohnt sich ja nicht.“ Bei Eisen-Maenicke im Heinz-Steyer-Ring ist am 1. Juli alles geblieben, wie es vorher war. Der Mehrwertsteuersenkung zum Trotz: „Wir haben nichts umgepreist“, sagt die Chefin. Die Kassensysteme sind gleichwohl umgestellt: Statt 19 werden jetzt 16 Prozent ausgewiesen beziehungsweise statt sieben fünf Prozent.

Tausende Produkte sind es, die bei Eisen-Maenicke zu haben sind, dem Traditionsgeschäft in der Stadt, dessen Historie bis 1883 zurückreicht. Bis heute werden hier die Preisschilder für die kleinste Schraube bis hin zum Pumpensystem, von der Kaffeetasse bis zur Waschmaschine mit Hand geschrieben. Alle Zettel neu schreiben für ein halbes Jahr?

Kathrin Lehnert schüttelt den Kopf. „Der Aufwand ist viel zu hoch.“ Wichtig sei doch, dass an der Kasse alles stimmt. Für die Kunden, denkt sie, wird die Mehrwertsteuersenkung am Ende gar nicht so sehr ins Gewicht fallen, vielfach werden Kleinartikel gekauft.

Zehntausende Produkte neu auspreisen - in Supermärkten ist das der Fall

Zehntausende Produkte neu auspreisen - in Supermärkten ist das der Fall. 60.000 verschiedene Artikel hat beispielsweise das E-Center im Junkerspark im Sortiment. Noch gestern, so haben Kunden beobachtet, wurden dort noch Preisschilder getauscht, obwohl die Handelskette - wie auch andere - die Mehrwertsteuersenkung bereits seit dem 29. Juni an die Kunden weitergibt. In den Kassensystemen ist sie eingepflegt.

„Erkennbar werden die Preisänderungen direkt am Regal und sind damit für alle nachvollziehbar. Grundsätzlich wird der Preis bei allen Artikeln nach Abzug der entsprechenden Mehrwertsteuersenkung - immer im Sinne der Kunden - abgerundet“, gab Alexandra Antonatus von der Pressestelle der Konzernzentrale Auskunft.

Was ist zu beachten bei der Mehrwertsteuerumstellung? Hierzu dringenden Beratungsbedarf hatten 430 Firmen, die vor knapp 14 Tagen ein Webinar von der ETL Schmidt & Partner Steuerberatungsgesellschaft aus Dessau und der Handwerkskammer Halle nutzten. Alle Teilnehmer hatten anschließend eine To-do-Liste erhalten mit den wichtigsten Regelungen.

Die meisten Fragen kamen aus dem Baubereich

Baufirmen, Friseure, Gastronomen und andere Betriebe nutzten die Informationsplattform. Die meisten Fragen kamen aber aus dem Baubereich, sagt Steuerberaterin Simone Dieckow. „Die Bauzeiten laufen über einen längeren Zeitraum,“ skizziert sie das Problem. Es ging also um Anzahlungen, Abschlagsrechnungen, Schlussrechnungen.

Welcher Steuersatz gilt wann, wie ist am günstigsten zu verfahren? Auch Fragen zu Mietverträgen und Abschlagszahlungen für Energie wurden im Webinar erörtert. Fragen auch gab es, wie es sich mit Gutscheinen verhält, mit Essens-Lieferservice, mit Warenbestellungen und -lieferungen.

„Es ist ein Riesenaufwand für die Unternehmen, der sie nicht nur Zeit, sondern auch Geld kostet“, sagt Dieckow, die gemeinsam mit ihrer Kollegin Maria Gast die Fragen beantwortete. Auch die Umstellung, die in kürzester Zeit erfolgen musste, so die Steuerberaterin, müsse ja bezahlt werden.

Auf ein halbes Jahr befristet ist die von der Bundesregierung beschlossene Mehrwertsteuersenkung von 19 auf 16 (regulärer Satz) und von sieben auf fünf Prozent (ermäßigter Satz für Waren des täglichen Bedarfs, vor allem Lebensmittel zur Grundversorgung).

Die Senkung der Verbrauchssteuer ist Teil des milliardenschweren Konjunkturpakets des Bundes. Erhofft wird damit, den Konsum wieder anzukurbeln und der durch die Corona-Pandemie in Mitleidenschaft gezogenen deutschen Wirtschaft neuen Schub zu geben.

Für größere Anschaffungen etwa solle die Steuersenkung einen zusätzlichen Anreiz bringen.

Aufwand ist für die betroffenen Unternehmen deutlich höher als der Nutzen für die Kunden?

„Gut gemeint und schlecht durchdacht“, kommentiert ebenfalls Stadtwerke-Geschäftsführer Thomas Zänger die Senkung der Mehrwertsteuersätze. „Der Aufwand ist für die betroffenen Unternehmen deutlich höher als der Nutzen für die Kunden.“ Dennoch sei für die Stadtwerke klar, die positiven Effekte an die Kunden weiterzugeben, erklärt Zänger.

„Wir haben deshalb unsere Prozesse angepasst und stellen für alle Unternehmenssparten sicher, dass unsere Kunden von der Mehrwertsteuersenkung profitieren können.“ Am Dienstag hatten die Stadtwerke bekannt gegeben, wie sie die Senkung der Mehrwertsteuer handhaben: Kunden müssten nicht selbst aktiv werden, Abschlagszahlungen ändern sich nicht, die Ersparnis werde den Kunden bei Jahresabrechnung gutgeschrieben. Zänger hätte eine andere Vorgehensweise auf Bundesebene bevorzugt: „Besser wäre eine generelle Senkung der staatlich motivierten Steuern und Abgaben auf Energie gewesen, da alle sofort davon partizipiert hätten.“ (mz)