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Emotionales Treffen Knochenmarkspende: Handballer der SG Kühnau trifft seinen genetischen Zwilling

Von Annette Gens 17.08.2019, 07:00
Enzo mit Sofia und Jacqueline Marotta (links) treffen im Kölner Zoo zum ersten Mal Ben Zimdahl (rechts ), Ann-Christin König und deren Sohn Finn.
Enzo mit Sofia und Jacqueline Marotta (links) treffen im Kölner Zoo zum ersten Mal Ben Zimdahl (rechts ), Ann-Christin König und deren Sohn Finn. M. Goyert

Köln/Dessau/Chörau - Sie warten am Kölner Zoo. „Und ich habe die kleine als letzte entdeckt“, sagt Ben Zimdahl über das erste Treffen mit seinem genetischen Zwilling. Es ist ein emotionales Treffen - mit Tränen und mit kleinen Startschwierigkeiten, Schüchternheiten zwischen den Familien Zimdahls und der von Sofia. Doch spätestens auf dem Spielplatz und allerspätestens an der gemeinsamen Kaffeetafel ist das Eis zwischen den Kindern Sofia, auf Facebook „Little Löwenherz“ genannt, und dem kleinen Finn aus Chörau gebrochen.

Am vergangenen Wochenende hat Ben Zimdahl, Handballer der SG Kühnau, zum ersten Mal der kleinen Sofia in die Augen schauen können. Das dreieinhalbjährige Kind aus Köln würde vermutlich ohne eine Knochenmarkspende von Zimdahl nicht mehr am Leben sein.

Acht Wochen ist Sofia alt, als ihre Eltern erfahren, dass ihr Nachwuchs an Blutkrebs erkrankt ist. In Köln wird damals via Facebook aufgerufen, sich typisieren zu lassen. Ein Spender für Sofia findet sich nicht.

Ben Zimdahl hatte sich 2015 durch die Deutsche Knochenmarkspenderdatei typisieren lassen

Einige Monate zuvor und etwa 500 Kilometer von Köln entfernt, entscheiden sich Ben Zimdahl und seine Freundin, die Lehrerin Ann-Christin König, Knochenmarkspender zu werden. Das Schicksal des an Leukämie erkrankten Felix hatte die beiden damals angesichts des eigenen Glücks über die Geburt ihres gesunden Sohns Finn sehr bewegt. Deshalb lassen sie sich 2015 durch die Deutsche Knochenmarkspenderdatei typisieren.

Ein Jahr später erhält Zimdahl die Nachricht, genetisch würde er zu 80 Prozent mit einem Kranken übereinstimmen. In Hamburg wird Ben Zimdahl am 2. August 2016 bei einer OP Knochenmark aus dem Becken entnommen. „Man erfährt nicht, für wen die Spende bestimmt ist“, erinnert sich der Linksaußen der SG Kühnau. Und doch gibt es einen Hinweis, der ihn damals erschüttert: Um einem erwachsenen Erkrankten zu helfen, sind etwa 1.200 Milliliter Spendenmaterial notwendig. Zimdahl werden nur 250 Milliliter Knochenmark entnommen. „Ich dachte, es kann sich nur um ein Kind handeln, das so alt ist wie unser eigenes.“

Zwei Jahre dürfen Spender und Empfänger keinen Kontakt haben

Zwei Jahre dürfen Spender und Empfänger keinen Kontakt haben. Anfang August 2018 erhält der Handballer die erste WhatsApp mit einem Bild von Sofia. Wieder ein Jahr später, am 10. August 2019, lernen sich die Familien endlich in Köln kennen.

„Es ist ein tolles Gefühl, die kleine Sofia gesund zu sehen“, sagt Zimdahl. Und etwas nachdenklicher: „Einfacher geht es eigentlich nicht, anderen zu helfen.“ Neun Minuten habe die Knochenmarkspende gedauert. Er habe dafür rund eineinhalb Stunden in Narkose gelegen.

Irgendwann wollen sich die Familien wieder treffen - in Chörau

Zimdahl und seine Frau wünschen sich, dass sich Sofia nach der Krankheit gut entwickeln wird. Das Kleine Löwenherz ist sehr zart, mit elf Kilogramm Gewicht federleicht. Dass die kleine Kölnerin inzwischen fünf Stunden täglich einen Kindergarten besuchen darf, ist etwas ganz besonderes. Denn viele Monate durfte sie zum Schutz ihres Immunsystems keinen Kontakt zur Außenwelt haben.

Zimdahl zieht den Hut vor Sofias Eltern, die durch die Krankheit ihres Kindes noch immer sehr eingebunden sind und ihren kleinen Schatz hüten. „In solchen Situationen wird einem das eigene Glück bewusst.“

Irgendwann wollen sich die Familien wieder treffen - in Chörau, bei der Familie von Ben Zimdahl und Ann-Christin König. Konkrete Planungen können aber erst umgesetzt werden, wenn Sofia die weite Fahrt durchhält. „Mehr als 45 Kilometer Autofahrt sind für Sofia noch eine enorme Strapaze.“ (mz)

In Sachsen-Anhalt ist Ben Zimdahl nicht der einzige, der durch eine Knochenmarkspende Leben retten konnte - und in diesem Sommer seinen genetische Zwilling getroffen hat. Zu den Lebensrettern gehört auch Mario Scharfe aus Wernigerode, der Knochenmark für einen todkranken Jungen aus Texas (USA) gespendet hat. Scharfe hat den heute sechsjährigen Riley Ende Juli zum ersten Mal in den USA getroffen - er war auf Einladung einer Tante des Kindes in die USA eingeladen.

Als Riley ein Baby war, fanden die Ärzte bei ihm die seltene Krankheit Hämophagozytische Lymphohistiozytose (HLH). Sein Immunsystem war komplett aus dem Gleichgewicht geraten. Die einzige Heilungsmöglichkeit der Krankheit, die meist durch defekte Gene entsteht, ist ein neues, intaktes Immunsystem. Erreicht werden kann das durch eine Knochenmarkspende. Am 1. August 2013 wurden Mario Scharfe in Köln unter Vollnarkose 800 Milliliter Knochenmark entnommen.

Zum gemeinsamen Kaffee in Köln gab es eine ganz besondere Torte.
Zum gemeinsamen Kaffee in Köln gab es eine ganz besondere Torte.
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Die genetischen Zwillinge
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