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Hilfe für Ukraine Kleidung, Duschzeug, Teddybären: Drei Dessauerinnen haben eine Hilfsaktion für Flüchtlinge gestemmt

Yvonne Pietzsch aus Mosigkau hat mit Yvonne Seyfarth und Dana Knape einen Transporter mit Hilfsgütern bepackt. Am Sonnabend war das Ziel Lublin erreicht.

Von Thomas Steinberg Aktualisiert: 07.03.2022, 12:28
Dana Knape, Yvonne Pietzsch und Yvonne Seyfarth haben es geschafft: Der Transport für die Ukraine ist abfahrbereit.
Dana Knape, Yvonne Pietzsch und Yvonne Seyfarth haben es geschafft: Der Transport für die Ukraine ist abfahrbereit. (Foto: Thomas Steinberg)

Dessau/MZ - Dana Knape versucht es allein, schiebt die Seitentür des Transporters mit Schwung nach vorn, nur die rastet nicht ein. Noch einmal, vergebens, die beiden anderen Frauen kommen ihr zur Hilfe. Drei Anläufe braucht es, dann geben die Kleidersäcke im Frachtraum nach und die Tür fällt ins Schloss. Die Frauen lachen.

Es ist Freitagnachmittag auf dem Hof vorm Haus von Yvonne Pietzsch in Mosigkau. Unter einem Schleppdach und in der Garage stapeln sich Kisten und Kleidersäcke, oftmals englisch beschriftete Aufkleber offenbaren den Inhalt: Kinderkleidung, Tücher, Jacken. Ein Karton ist randvoll mit Duschzeug, ein Sack mit Stofftieren gefüllt. Yvonne Seyfarth fischt einen etwas zerzausten weißen Teddy heraus und setzt ihn ins Fahrerhaus. Als Talisman während der Fahrt nach Polen.

Als Putins Truppen das Nachbarland überfielen, war es keine Frage für Yvonne Pietzsch: Hier muss man was machen

24 Stunden später sind die beiden Yvonnes mit der Fracht, Hilfsgüter für Flüchtlinge, in Lublin angekommen. 90 Kilometer sind es von dort bis zur ukrainischen Grenze, 600 bis nach Kiew. Die E 373 ist eine der zentralen Routen für den Exodus vor Putins Krieg. Hunderttausende sind über diese Straße inzwischen in die EU gekommen, Google Maps meldete selbst am früheren Sonntagmorgen mehrere Staus auf der Strecke.

Der Hilfstransport für die Ukraine aus Mosigkau ist am Sonnabend am Ziel in Lublin angekommen.
Der Hilfstransport für die Ukraine aus Mosigkau ist am Sonnabend am Ziel in Lublin angekommen.
(Foto: Yvonne Pietsch)

Als Putins Truppen das Nachbarland überfielen, war es keine Frage für Yvonne Pietzsch: Hier muss man was machen. Sie arbeitet bei einem Pflegedienst, hat, wie sie sagt, ein Helfersyndrom. Das bricht immer wieder aus: 2013 beim Elbhochwasser, im vorigen Jahr nach der Flut im Ahrtal. Sie weiß, wie man Hilfe organisiert.

Yvonne Pietzschs Plan, mit dem eigenen Kleinbus zu fahren, würde nicht aufgehen

So auch dieses Mal. Pietzsch stellte einen Aufruf bei Facebook ein. Und der löste eine Kettenreaktion aus. Viele Leute meldeten sich bei ihr, brachten säckeweise Hilfsgüter vorbei. „Und das sind keine Altkleider“, versichert Dana Knape.

Schließlich stieg das Autohaus Heise ein. „Wir haben eine Rundmail in der Heise-Gruppe verschickt“, sagt Mitarbeiterin Theresa Georgi beim Pressetermin auf dem Hof des Autohauses. Fortan lieferten noch mehr Leute noch mehr Hilfsgüter im Autohaus ab.

Spätestens jetzt war klar: Yvonne Pietzschs Plan, mit dem eigenen Kleinbus zu fahren, würde nicht aufgehen. Heise stellte ihr einen 3,5-Tonner und lieh sich einen 7,5-Tonner, der von zwei Männern nach Posen gesteuert werden sollte. Trotz des zusätzlichen Ladevolumens, ein Teil der Spenden musste vorerst zurückbleiben, könnte aber schon bald in Dessau-Roßlau gebraucht werden, wo ebenfalls mit der Ankunft ukrainischer Flüchtlinge gerechnet wird.

Am Sonnabend brechen früh morgens Yvonne Seyfarth und Yvonne Pietzsch von Dessau auf

Am Sonnabend brechen früh morgens Yvonne Seyfarth und Yvonne Pietzsch von Dessau auf. Zwischenzeitlich gab es Unklarheiten übers Ziel, in der Nacht meldete sich das Rote Kreuz aus Frankfurt am Main und gibt Lublin als Ziel aus. Dort angekommen, irren die Frauen zunächst umher, finden keine Rot-Kreuz-Station.

Nicht alle Spenden haben im Transporter Platz gefunden.
Nicht alle Spenden haben im Transporter Platz gefunden.
(Foto: Thomas Steinberg)

In ihrer offensichtlichen Ratlosigkeit werden sie von einer Frau angesprochen: Ob sie helfen könne? Agnieszka, ehemalige Deutschlehrerin, weiß tatsächlich Rat: Gleich um die Ecke liegt die Jüdische Gemeinde, auch die nehme Spenden entgegen. Der Dessauer Transporter fährt dort hin. „Wir sind dort ganz herzlich willkommen worden“, erzählt wenig später Yvonne Seyfarth am Telefon, „und haben uns dann erst mal heulend in den Armen gelegen.“

Am Abend sind die beiden Dessauerinnen bei Agnieszka zum Essen eingeladen. Sie hat selbst Flüchtlinge aufgenommen, erzählt vom Chaos, das mit dem Krieg und den über eine Million Flüchtlingen in nur wenigen Tagen ausbrach.

Am nächsten Morgen, die Dessauerinnen haben in einem Hotel übernachtet, sind sie nochmals bei Agnieszka. Gegen 9 brechen sie wieder nach Dessau auf. Neun Stunden Fahrt liegen vor ihnen.